Datum: 19.10.2015

„Bei der Verbraucherbildung für Migranten passiert viel zu wenig“

Fünf Fragen an… Dr. Çiçek Bacik, Verbraucherzentrale Berlin

(c) thumprchgo - pixabay.com - CC0 Public Domain

Wer aus einem anderen Land nach Deutschland einwandert, muss sich erst mal zurechtfinden, auch in der bunten Konsumwelt hierzulande. Spezielle Angebote zur Verbraucherbildung für Migrantinnen und Migranten sind aber rar gesät. Warum das so ist und wie sich das ändern ließe, weiß Dr. Çiçek Bacik von der Verbraucherzentrale Berlin. Fünf Fragen an sie.  

1. Frau Dr. Bacik, Verbraucherbildung für Migranten – ist die nötig?  

Absolut. Ein Fünftel der Menschen hierzulande haben eine Migrationsgeschichte, Tendenz steigend. Ihre Fragen zu Konsumthemen unterscheiden sich zwar nicht groß von denjenigen, die hier geboren sind. Aber es gibt oft Sprachbarrieren – und die erschweren ihnen den Zugang zu den Infoangeboten und Beratungen der Verbraucherzentralen sehr. Deswegen bleiben ihre Fragen oft ungeklärt. 

2. Wie ließe sich das ändern?

Wir müssten mehr Beratungen auch in den Muttersprachen der Migrantinnen  und Migranten anbieten können, etwa auf Türkisch, Russisch oder Arabisch, und wichtige Informationen in diese Sprachen übersetzen. Das passiert heute aber nur selten. Nicht, weil wir das nicht wollten. Sondern schlicht, weil den Verbraucherzentralen das Geld und die Mittel dafür fehlen. 

3. Was passiert denn schon? 

Allgemeine Rechtsberatungen für Einwanderer bieten zurzeit nur die Verbraucherzentralen Berlin und Nordrhein-Westfalen an. Zwar wöchentlich, aber nur einige Stunden. Die Verbraucherzentrale Berlin bildet zudem Multiplikatoren aus, gemeinsam mit Migrantenorganisationen. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein bietet zudem Ernährungsberatung in Türkisch an, die in Rheinland-Pfalz ihre Patientenberatung in dieser Sprache. Insgesamt gibt es bundesweit aber nur wenige solche Leuchttürme.

4. Sie leiten ein Projekt zur Verbraucherbildung für Migranten mit dem Schwerpunkt digitale Welt? Was passiert da?

Wir wollen Menschen mit türkischen und russischen Wurzeln über ihre Rechte in digitalen Märkten aufklären, zum Beispiel über ihre Rechte an ihren eigenen Daten. Im Zuge des Projektes haben wir Ethno-Mobilfunktarife untersucht und festgestellt, dass Einwanderern bestimmte Verbraucherrechte vorenthalten werden, etwa Widerrufsrechte. Außerdem haben wir eine Internetplattform aufgebaut, die ihre Fragen rund um Telekommunikation und Internet klärt. 

5. Angesichts der derzeit nach Deutschland kommenden Flüchtlinge  – was muss passieren, um auch ihre Konsumkompetenzen zu fördern? 

Die Verbraucherbildung für Einwanderer braucht mehr Geld – für muttersprachliche Beratungen und Infoangebote. Und wir müssen unsere Angebote besser bewerben können. Viele Einwanderer wissen heute noch nicht mal, dass die Verbraucherzentralen ihnen bei ihren Konsumfragen unter die Arme greifen könnten. Helfen können wir aber nur denen, die von uns wissen.

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