Datum: 11.06.2012

Kultusminister sollen bei Verbraucherbildung Flagge zeigen

Resolution verabschiedet

(c) pexels.com CC0 Public Domain

Das kleine Konsum-ABC – in einigen deutschen Bundesländern bekommen Schülerinnen und Schüler das schon mit auf den Weg. Bundesweit einheitliche Bildungsstandards zur Verbraucherbildung in der Schule fehlen indes noch.

In einer gemeinsamen Resolution fordern der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv und seine Mitgliedsverbände die Kultusminister der Länder auf, das zu ändern.  

„Die Kultusminister müssen Flagge zeigen“, so vzbv-Vorstand Gerd Billen. „Bislang engagiert sich nur die Hälfte der Länder.“ Darauf wies Deutschlands oberster Verbraucherschützer Anfang Mai während der zweiten Netzwerkkonferenz „Verbraucherbildung – Konsumkompetenz stärken“ hin, zu der das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) nach Berlin eingeladen hatte.  

Billen lobte auf der Fachtagung, dass in Vorreiterländern wie Bayern, Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz Aspekte der Verbraucherbildung bereits ihren Weg auf die Stundenpläne allgemeinbildender Schulen gefunden haben. In Bayern etwa werden Themen der ökonomischen Verbraucherbildung seit dem Schuljahr 2010/2011 an ausgewählten Modellschulen unterrichtet. Schleswig-Holstein hat zum Schuljahr 2009/10 sogar ein eigenständiges Fach Verbraucherbildung eingeführt, als bislang einziges Bundesland. 

Der vzbv will, dass diese guten Beispiele weiter Schule machen – damit junge Menschen künftig frühzeitig und unabhängig von ihrem Wohnort das Rüstzeug zur erfolgreichen Bewältigung ihres Alltags an die Hand bekommen. Für Verbraucher werde der Alltag immer komplizierter, so Billen. Sichtbar sei das beispielsweise am Boom der sozialen Netzwerke. Diese böten zwar viele Chancen. Eine Unachtsamkeit der Nutzer, etwa eine unbeabsichtigte Urheberrechtsverletzung durch Hochladen eines geschützten Bildes, könnte jedoch schnell „Abmahnungen mit gigantischen Forderungen“ nach sich ziehen.  

Dass der Konsumalltag zunehmend schwerer zu durchdringen ist, belegen auch die Erfahrungen der Verbraucherzentralen der Länder und aktuelle Jugendstudien. Eine Befragung des Bundesverbraucherschutzministeriums unter 500 Schülern der zehnten Klasse kam vor rund zwei Jahren zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass nur die Hälfte der Befragten den Sinn und Zweck eines Girokontos richtig einschätzen konnte. 46 Prozent meinten, bei Online-Bestellungen private Daten wie Familienstand, Einkommen oder Hobbys preisgeben zu müssen.  

Pro Verbraucherbildung: 41 Verbände und Organisationen zeichnen Resolution  

Um diesem Unwissen entgegenzuwirken, ist nach Ansicht des vzbv mehr Verbraucherbildung im Schulunterricht nötig, und das deutschlandweit. Der Verband hat daher zusammen mit seinen Mitgliedsorganisationen auf der Netzwerktagung eine Resolution veröffentlicht, mit der für dieses Ansinnen wirbt. Zu den Erstunterzeichnern zählen 41 Organisationen und Verbände, neben dem vzbv und den 16 Verbraucherzentralen der Länder unter anderem der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Familienverband, die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sowie kirchliche und gewerkschaftsnahe Organisationen.  

Zahlreiche Untersuchungen, heißt es in dem Aufruf, machten deutlich, dass das Bildungssystem in Deutschland Kinder und Jugendliche nicht ausreichend mit den nötigen Kompetenzen zur Alltagsbewältigung ausrüste. Erhebliche Defizite gäbe es bei Fragen rund um die gesunde und ausgewogene Ernährung, in Sachen Finanzen und Verbraucherrecht, in der Medienerziehung und beim nachhaltigen Konsum.  

Mit den Auswirkungen dieser Defizite habe nicht nur jeder Einzelne persönlich zu kämpfen, Stichwort Schuldenfalle. Sie zögen auch massive gesamtgesellschaftliche Folgekosten nach sich: „Wenn in den privaten Haushalten jährlich Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro in den Müll geworfen werden“, heißt es in der Resolution unter Bezug auf eine aktuelle BMELV-Studie, dann sei das „nicht nur ein Schaden für den einzelnen Haushalt, sondern eine volkswirtschaftliche Verschwendung“. 

Bundesweite Standards zur Verbraucherbildung gefordert  

Nach Ansicht der unterzeichnenden Organisationen und Verbände müssen die Bildungspolitiker in Bund und Ländern diese Missstände endlich ausmerzen und allen Kindern und Jugendlichen ein gleiches Maß an Verbraucherbildung einräumen. Dafür brauche es verbindliche bundeseinheitliche Standards zur Verbraucherbildung sowie deren stärkere Verankerung in den schulischen Lehrplänen. 

Nötig seien zudem mehr Verbraucherforschung, eine stärkere Förderung der Verbraucherbildung in der Lehreraus- und -fortbildung sowie eine bessere Unterstützung der Schulen und der Lehrkräfte bei der Umsetzung von Verbraucherbildung im Schulalltag. vzbv-Chef Billen sagte auf der Fachtagung, die Lehrkräfte bildeten bei der Vermittlung von Alltagskompetenzen oft das Nadelöhr. Sie müssten stärker unterstützt werden. Billen forderte die Kultusministerkonferenz der Länder auf, noch 2012 einen Fahrplan für mehr Verbraucherbildung im Schulunterricht zu beschließen.  

Bundesministerin Aigner: Verbraucherbildung gehört in die Schule  

Für mehr Verbraucherbildung in der Schule hat sich während der Tagung auch Ilse Aigner ausgesprochen, die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Es reiche nicht mehr, wenn Väter und Mütter ihren Erfahrungsschatz als Verbraucher an ihre Kinder weitergeben. Dazu sei die Konsumwelt zu komplex geworden. Grundlegende Verbraucherkompetenzen müssten frühzeitig vermittelt werden. „Und ich meine: Das kann nicht ohne die Schulen funktionieren“, so Aigner. Nur in Schulen könne eine breite Wissensgrundlage geschaffen werden. 

Die Bundesministerin kündigte zudem an, den „Materialkompass Verbraucherbildung“ weiter zu fördern. Die vom vzbv betreute Online-Datenbank gibt Lehrerinnen und Lehrern Orientierung bei der Suche nach guten Unterrichtsmaterialien zu Themen der Verbraucherbildung und umfasst mittlerweile mehr als 230 Unterrichtsideen verschiedener Anbieter. Sämtliche Materialien wurden von unabhängigen Bildungsexperten auf ihre Tauglichkeit geprüft und mit einer Bewertung versehen. Lehrkräfte können so schnell Stärken und Schwächen einzelner Materialien erkennen. 

Der Materialkompass Verbraucherbildung ist ein zentraler Pfeiler von Aigners Initiative „Verbraucherbildung – Konsumkompetenz stärken“, die die Ministerin 2010 ins Leben gerufen hat. Ziel ist, ein bundesweites Netzwerk aus Verwaltungsexperten der Länder, Wissenschaftlern und Lehrkräften zur Verbraucherbildung zu knüpfen. Die Ministerin will so gute Beispiele zur Vermittlung von Alltagskompetenzen im Unterricht bekannt machen und Anregungen für mehr Verbraucherbildung im Unterricht geben. „Jede Schülerin und jeder Schüler“, so Aigner, müsse „nicht nur die vier Grundrechenarten – sondern auch das Einmaleins der Verbraucherkompetenz beherrschen“.