Datum: 11.02.2015

Wie viel Leben lehrt die Schule?

Schülerinnen und Schüler geben Auskunft

(c) Joe Shilington - unsplash - CC0 Public Domain

In Deutschland wird wieder einmal darüber diskutiert, ob Schule genug aufs Leben vorbereitet. Die einen sagen, den jungen Menschen fehle vor allem Wissen rund um Wirtschaft und Finanzen. Die anderen meinen, im Unterricht müsse viel mehr Alltagspraktisches gelehrt werden. Wie viel Leben Schule heute tatsächlich lehrt, haben wir einige Jugendlichen gefragt. Repräsentativ sind deren Aussagen zwar nicht. Aufschlussreich aber allemal.


Sabrina Wilsch, Gesamtschülerin, 10. Klasse, Wennigsen

„Meine Eltern geben mir viel mit“

„Was mir Schule beibringen sollte? Also, Schule sollte Einblick in möglichst viele Themen geben. Mathe, Deutsch, Englisch natürlich, Geschichte, auch Sachen, die man später im Alltag braucht. Wie man mit Steuern umgeht oder was man bei Aufnahme von Krediten beachten muss. 

Im Wirtschaftskurs haben wir gerade etwas über E-Commerce gelernt, wie man im Netz zahlen kann und welche Möglichkeiten es da gibt. Das finde ich wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, damit wir nicht in irgendwelche Fallen tappen. Da haben wir auch über die Daten geredet, die wir beim Online-Shoppen an die Händler weitergeben und das wir nicht alles von uns preisgeben müssen. 

Das war schon gut, weil ich ja teilweise unsicher bin, was ich alles von mir angeben muss und weiß, dass mit Daten viel Schindluder getrieben wird. Da hatten mich meine Eltern vorher schon vor gewarnt und in den Nachrichten hört man das ja auch immer wieder. Im Unterricht haben wir uns aber eher mit dem Einkauf im Netz beschäftigt und wie Überweisungen funktionieren.

Ich hätte es gut gefunden, wenn wir uns mehr mit Risiken im Netz beschäftigt hätten. Was passieren kann, wenn man irgendwo ein Bild von sich hochlädt. Nicht alle Eltern haben Zeit, darüber mit einem zu reden. Das gilt natürlich auch für andere Themen wie gesunde Ernährung. Da haben wir in Bio zwar drüber geredet, ich glaub’ aber zuletzt in der 5. Klasse. Und nicht so ausführlich. 

Trotzdem fühl ich mich eigentlich ganz gut gerüstet für den Alltag. Meine Eltern geben mir viel mit. Und man kann sich ja auch selbst informieren oder bei den Lehrern nachfragen, die würden schon helfen. Wenn ich meiner Schule eine Note dafür geben müsste, wie sie mich auf dem Weg zum selbstständigen Menschen und für den Alltag unterstützt hat, wäre das schon eine zwei oder drei. 

Ob wir ein zusätzliches Fach brauchen, das sich ganz auf Alltagsthemen konzentriert, weiß ich nicht. Ich fände es aber schon gut, wenn wir mehr über den Umgang mit Geld reden würden, wie man Verträge abschließt und was man dabei beachten muss.“


Julian Reichert, Oberschüler, 9. Klasse, Berlin 

„Mit praktischen Dingen beschäftigen wir uns eher am Rande“

„Schule soll mich so aufs Leben vorbereiten, dass ich mich gut orientieren kann, in der Arbeitswelt, aber auch im Alltag. Insgesamt lernen wir schon viele Dinge, die uns dabei helfen. Aber auch viel Überflüssiges. Das sehen sogar manche Lehrer so. Da frage ich mich schon, warum wir uns dann damit beschäftigen. 

Praktische Sachen, die man im Alltag braucht, sind bei uns eher am Rande Thema. Wie man Überweisungen ausfüllt, habe ich gelernt. Aber einiges fällt auch komplett runter. Datenschutz oder Sicherheit im Internet, damit haben wir uns in der Schule noch nicht beschäftigt. Fände ich wichtig, weil wir ja alle täglich im Netz unterwegs sind und sich da jede Menge Betrüger tummeln. 

Wie man sich online verhält, sich gesund ernährt oder Verträge abschließt – ich finde, das kommt bei uns meistens zu kurz. In Ethik beschäftigen wir uns jetzt zwei Wochen mit Massentierhaltung. Das wird also relativ knapp behandelt, obwohl ich da gerne mehr drüber erfahren möchte und das ja auch einen direkten Bezug zu meinem Leben hat. 

Wenn ich jetzt einen Vertrag abschließen müsste, für eine Wohnung oder ein Handy, dann würde ich mir nicht zutrauen, da alle Fallstricke zu finden. Auch weil wir uns in der Schule damit noch nicht beschäftigt haben. Weiß ich nicht, ob das noch kommt. Wichtig wäre das, könnte man ja über eine AG anbieten. 

Was ich mir schon zutraue, ist, herauszufinden, wie man einen Mietvertrag oder Handyvertrag abschließt. Das kann ich im Netz recherchieren. Was ich nicht glaube, ist, dass ich dann unbedingt die Verträge mit den besten Konditionen finde, die genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten sind. Da fehlt mir die Übung. Hätten wir die, würde ich mich bestimmt sicherer fühlen. 

Hätte ich die Wahl zwischen einer weiteren Fremdsprache und mehr Unterricht in so Alltagsdingen, würde ich Letzteres wählen. Schule soll ja auf den Alltag vorbereiten. Wenn das im Unterricht stärker Thema wäre, fände ich das gut.“ 

 

Arblir Meta, Oberschüler, 10. Klasse, Berlin

„Schule rüstet mich gut für die Arbeitswelt“

„Schule sollte einen in erster Linie auf den Beruf vorbereiten, finde ich, und meine Schule macht das eigentlich ganz gut. Ich möchte mich später zum Fachinformatiker ausbilden lassen und fühl mich dafür gut gerüstet. 

Klar beschäftigen wir uns auch mit Nebensächlichkeiten. Ob ich den Satz des Pythagoras irgendwann noch mal brauche? Aber Mathe ist mir wichtig, auch Deutsch oder Englisch. In meinem Beruf brauche ich das später täglich. Das sind wichtige Fächer. 

Ob Schule außer der Berufsvorbereitung noch andere Aufgaben übernehmen sollte? Habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Wie ich später eine Wohnung anmieten kann oder ein Konto eröffnet, darüber haben wir im Unterricht bislang noch nicht geredet. Vielleicht steht das ja noch an. Fände ich auf jeden Fall gut.

Über gesunde Ernährung haben wir in Bio viel gesprochen, auch über Kalorien und Lebensmittel oder darüber, dass Alkohol nicht gut ist. Wenn man da nicht zuhört, dann bringt das natürlich nichts. Aber ich fand das interessant und versuche, gesund zu leben. Nicht erst seitdem, aber seitdem noch etwas mehr.

Wenn ich wählen müsste zwischen einer zusätzlichen Stunde Mathe und einem Fach, in dem wir Alltagsdinge lernen, würde ich mich für Mathe entscheiden. Weil mit das später im Beruf hilft. Muss ich später mal eine Wohnung anmieten oder ein Konto eröffnen, ist das vielleicht nicht so leicht für mich, weil ich das aus der Schule nicht kenne. 

Aber ich denke, ich bekäme das trotzdem hin, meine Eltern würden mir sicher helfen. Ob ich mir das nötige Wissen selber aneignen kann, weiß ich nicht. Wenn wir so Sachen in der Schule üben würden, fiele es mir sicher leichter. Wer keine Eltern hat, die einem helfen können, würde das bestimmt noch mehr nutzen.“

 
Sara Burkhardt, Gesamtschülerin, 10. Klasse, Wennigsen

„Mehr Übung im Umgang mit Verträgen wäre schon hilfreich“

Ich erwarte von der Schule, dass sie mir einen Grundstock an Allgemeinwissen vermittelt und auch auf den Beruf vorbereitet, durch Praktika und Bewerbungstrainings. Und dass man auch etwas vom Weltgeschehen mitkriegt, von Geschichte und Politik also. Ich glaube, da habe ich schon viel mit auf den Weg bekommen. Eigentlich fühle ich mich ganz gut aufs Leben vorbereitet. 

Ich fange jetzt bald eine Ausbildung an und werde voraussichtlich in eine eigene Wohnung ziehen. Da ist mir nicht bange vor. Ich kann einigermaßen gut kochen, weil ich mir viel von meiner Mutter abgeschaut habe. Hauswirtschaftsunterricht hatte ich nicht. Das wird bei uns an der Schule aber für Hauptschulklassen angeboten. Kochen beibringen ist meiner Meinung nach eher Aufgabe des Elternhauses als der Schule. 

Über Konsumthemen sprechen wir im Unterricht immer wieder mal. In ‚Arbeit-Wirtschaft’ haben wir vor kurzem über Kinderarbeit geredet und darüber, dass die Arbeiter ausgebeutet werden, wenn hier eine Hose nur für ein paar Euro verkauft wird. Dass zu solchen Preisen keine vernünftige Entlohnung geleistet werden kann, ist meiner Meinung nach klar. Umweltschäden, die Biosprit verursachen kann, haben wir auch behandelt. Ich versuche seitdem noch mehr Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. 

Was an Steuern und Abgaben auf mich zukommt, wenn ich meine Ausbildung beginne, weiß ich nicht genau. Haben wir im Unterricht nicht tiefgehend behandelt. Da fehlt einfach die Zeit für. Zur Not kann ich mir ja einen Steuerberater nehmen oder meine Eltern fragen. Aber es gibt schon andere Sachen, über die ich gerne mehr erfahren würde. 

Sicherheit im Internet und Datenschutz wären solche Themen. Ein Stück weit vertraue ich da aber meinem gesunden Menschenverstand. Was ich auch wichtig fände: Wir sollten stärker einüben, Verträge unter die Lupe zu nehmen. Die sind ja meist so bürokratisch formuliert, dass sie kaum zu verstehen sind. Hätten wir da mehr Übung, wäre das schon hilfreich fürs spätere Leben.“

 

Lotan Sosner, Gymnasiast, 9. Klasse, Berlin

„Wir lernen auch viel Nebensächliches“ 

„Was mir die Schule beibringen sollte? Von allem ein bisschen, in möglichst vielen Feldern. Manchmal gehen wir aber viel zu tief in den Stoff rein, finde ich. In Mathe haben wir uns zum Beispiel dieses Schuljahr ewig mit Wurzelrechnung beschäftigt, obwohl ich weiß, dass ich das nie wieder brauchen werde. 

Warum wir uns in bestimmte Themen so festbeißen müssen, weiß ich nicht. Oft empfinde ich das als vergeudete Zeit. Die könnte man besser in andere Themen stecken. Sport als Unterrichtsfach finde ich zum Beispiel total unnötig. Ich mache gerne und viel Sport, aber in der Schule muss ich das nicht haben. Das kann ich zuhause machen, in meiner Freizeit. 

Die Zeit könnte man besser in andere Fächer stecken, auch in so Alltagspraktisches. Ich bin jetzt in der 9. Klasse und könnte also nächstes Jahr von der Schule abgehen. Wie ich netto aus brutto errechne, weiß ich dann nicht. Wie ein Mietvertrag aussehen muss oder ich ein Konto einrichte, auch nicht. 

Dabei wäre mir das schon wichtig. Ich glaube zwar, dass ich mich da schlau machen könnte und mir meine Eltern helfen würden. Aber das ist ja nicht in jeder Familie so. Schon wegen der Chancengleichheit fände ich es deswegen gut, wenn wir mehr darüber lernen würden, auch über Gesetze, was man darf, was nicht, etwa im Internet. Das war bisher aber nie Thema. Unter uns Schülern schon, im Unterricht nicht. 

Womit wir uns schon beschäftigen sind Herstellungsbedingungen, etwa von Kleidung oder Handys und wie die Menschen, die sie produzieren, leben müssen. Das finde ich interessant. Ändert aber nix an unserem Konsum. Dazu müssten wir da wahrscheinlich tiefer ins Thema eintauchen, mal selbst mit den Menschen, die unsere Sachen herstellen, reden oder die besuchen.“

 

Protokolle: Thomas Wischniewski