Datum: 04.05.2015

„Der Bedarf für gute Schulbücher zur Verbraucherbildung ist da“

Silvia Leutnant, Herausgeberin des „Schulbuch des Jahres“, im Gespräch

(c) pixabay - CC0

Ernährung, Haushaltsführung, Nachhaltigkeit – dass man diese Themen spannend und alltagsnah verpacken kann, beweist „Plan L. – Leben bewusst gestalten“, ein Lern- und Arbeitsbuch zur Verbraucherbildung, das Mitte März zum „Schulbuch des Jahres“ gekürt wurde. Die in Detmold unterrichtende Lehrerin Silvia Leutnant hat es konzipiert und herausgegeben. Ihre Erfolgsformel verrät sie im Interview.

Frau Leutnant, herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung! Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Werk? 

Leutnant: Der eigentliche Anstoß kam vom Schöningh Schulbuchverlag, der sein Portfolio in Richtung Hauswirtschaft ausbauen wollte. Über meine alte Schule kam der Kontakt zustande, ich habe ein Konzept erarbeitet und 2011 im Verlag vorgestellt. Anfänglich gab es dort zwar etwas Skepsis, weil ich zu dem Zeitpunkt an der Universität und nicht an der Schule gearbeitet habe, damit nicht als Praktikerin galt. Aber die Redaktion hat gemerkt, dass ich für das Fach Hauswirtschaft brenne und es mit mir versucht. 

Ernährung, Haushaltsführung und Nachhaltigkeit ist ein weites Feld. Wie haben Sie entschieden, welche Themen Sie beackern, welche nicht?

Ich wollte die Curricula in Nordrhein-Westfalen sinnvoll verknüpfen mit den Bildungszielen von REVIS. Das ist ein Modell zur Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allgemeinbildenden Schulen, das auf die Vermittlung von Kompetenzen zur gesunden Ernährung und verantwortlichen Konsum setzt. Ich und meine Mitautorinnen haben also nicht nur geguckt, was die Lehrpläne vorgeben, sondern wie sich diese Vorgaben so vermitteln lassen, dass sie einen nachhaltigen, gesundheits- und qualitätsorientierten Lebensstil fördern. 

Medien- und Finanzkompetenz spielen keine Rolle?

Medienkompetenz spielt auch bei REVIS keine Rolle – was ja durchaus zu Kritik an diesem Modell geführt hat. Finanzkompetenz wird im Rahmen der durchdachten Haushalts- und Lebensführung auch in „Plan L.“ berücksichtigt.  

Welche Themen waren besonders schwierig darzustellen? 

Knifflig war das Kapitel zur Esskultur und ihren Ausprägungen – das greifbar zu machen, kulturelle Vielfalt darzustellen ohne zu stigmatisieren. Diese kulturelle Sensibilität hat das Georg-Eckert-Institut, das uns den Preis zugesprochen hat, ausdrücklich gelobt. Neuland betreten haben wir auch bei der Darstellung unterschiedlicher Lebensformen und Rollenbilder. Zum Beispiel haben wir „Regenbogenfamilien“ abgebildet, was so für Schulbücher neu ist. 

Sind die Inhalte von „Plan L.“ wissenschaftlich unterlegt? 

Das ist fundiert. Über meinen Job an der Uni habe ich neue Entwicklungen und Erkenntnisse unmittelbar mitbekommen – durch meine wissenschaftliche Arbeit, auf Tagungen, durch Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Außerdem hatte ich schon zehn Jahre Lehr- und Unterrichtserfahrung und wusste, welche Themen wichtig sind. Einige vermeintliche Gewissheiten musste ich während der Arbeit an dem Buch aber auch über Bord werfen, beim Thema Essen und Religion zum Beispiel.

Wie viel Raum finden Kontroversen in Ihrer Publikation? Der nachhaltige Lebensstil, für den sie werben, ist gesellschaftlich nicht unumstritten…

Wir geben keine Meinungen vor. Wir stellen Sachverhalte dar, überlassen den Schülerinnen und Schülern aber, wie sie damit umgehen. Bei Bio-Lebensmitteln weisen wir beispielsweise schon auf deren Qualitäten hin, sagen aber nicht: „Du musst ‚Bio’ kaufen.“ Das sollen die Jugendlichen selbst entscheiden, je nach ihrer persönlichen Situation, ihren Vorlieben, ihren Ressourcen. Wir wollen sie zum Reflektieren eigener Entscheidungen und Vorlieben motivieren.

Lassen sich komplexe Themen wie „Welche Versicherung brauche ich“ auf ein, zwei Doppelseiten überhaupt sinnvoll darstellen?

Schulbücher müssen Inhalte immer didaktisch sinnvoll reduzieren. Auch wir führen nur an Themen heran, über Szenarien, in denen sich die Jugendlichen wiederfinden können. Durch weiterführende Aufgaben tauchen sie dann tiefer ein, beim Thema Versicherung beispielsweise durch Vorbereitung auf ein Gespräch bei der Verbraucherzentrale. Da mussten wir uns, bevor wir das Thema entwickelt haben, erst selbst schlau machen und viel recherchieren. Außerdem haben wir viele Inhalte schon vor Drucklegung in Schulen erprobt und wussten somit, was funktioniert und wo wir nacharbeiten mussten. 

Praxistest bestanden? 

Ja, die Rückmeldungen, die mich erreichen, sind äußerst gut. Der Bedarf für gute Schulbücher zur Ernährungs- und Verbraucherbildung ist da. Unser Buch ist mit fast 200 Seiten zwar sehr umfangreich. Aber viele Kolleginnen und Kollegen schätzen genau das: Weil sie sich die Unterrichtsideen für diese Themen jetzt nicht mehr mühsam zusammensuchen müssen und gleichzeitig sicher sein können, dass die Inhalte fachlich fundiert sind.