Datum: 15.10.2020

Der Nutri-Score kommt – vorerst aber nur freiwillig

Nährwertkennzeichnung bietet erste Orientierungshilfe

Nutri-Score-Waage (c) Verbraucherzentrale Hamburg

Am vergangenen Freitag hat auch der Bundesrat der Verordnung zur Einführung des Nutri-Scores zugestimmt. Er soll Verbraucher beim bewussteren Einkaufen unterstützen. Im November soll der Nutri-Score bei uns an den Start gehen. Eine neue Studie belegt, wie wirksam solche Produktkennzeichnungen sind.

Laut aktuellen Zahlen der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) sind ca. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren in Deutschland übergewichtig. Diese Zahl stagniert seit langem auf einem hohen Niveau „Gerade deshalb ist es wichtig, dass Verbraucher mit einem Blick erkennen können, ob es sich um ein ausgewogenes oder weniger ausgewogenes Lebensmittel handelt. Nur dann können sie die richtige Kaufentscheidung treffen“, so Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

Befragung unter Verbraucherinnen und Verbrauchern

In einer Verbraucherumfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2019 hatte sich der Nutri-Score gegenüber anderen Kennzeichnungsmodellen durchgesetzt. Bei diesem auf Ampelfarben und Buchstaben basierenden Modell zeigt eine fünfstufige Skala von A bis E, wie ausgewogen das Produkt ist. Die jeweiligen Mengen unter anderem von Zucker, Salz, Fetten, Proteinen und Ballaststoffen fließen dabei in die Bewertung ein. Verschiedene Lebensmittel der gleichen Kategorie können so miteinander verglichen werden. Ziel ist, dass es für viele Menschen in Deutschland dadurch einfacher wird, eine gesündere Wahl zu treffen.

Eine Forschergruppe des Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität hat nun die Wirksamkeit von Lebensmittelkennzeichnungen untersucht. Die Forscher gingen der Frage nach, wie Unternehmen der lebensmittelverarbeitenden Industrie Verbraucher dabei unterstützen können, ihren Nahrungsmittelkonsum klimaschonender und gesünder zu gestalten. Das Ergebnis: Lebensmittelkennzeichnungen wirken sich tatsächlich positiv auf die Kaufentscheidung aus. Eine grundsätzlich positive Einstellung zu einem nachhaltigen Konsum von Lebensmitteln sei allerdings Voraussetzung für die Wirkung.

Forderung nach europaweiter verpflichtender Kennzeichnung

Der vzbv unterstützt die Einführung des Nutri-Scores in Deutschland. Den Lebensmittelherstellern steht es allerdings frei, die Kennzeichnung zu verwenden, denn bislang können EU-Mitgliedsstaaten erweiterte Nährwertkennzeichnungssysteme nur auf freiwilliger Basis empfehlen. Deshalb fordert der vzbv, den Nutri-Score so schnell wie möglich EU-weit verpflichtend einzuführen. „Ziel muss es sein, ein Wirrwarr verschiedener Kennzeichnungssysteme in der EU zu verhindern“, so vzbv-Vorstand Müller. Denn erst wenn der Nutri-Score auf allen verarbeiteten und verpackten Lebensmitteln zu finden sei, könnten Verbraucher tatsächlich vergleichen – und eine gesündere Entscheidung treffen. Unter der Deutschen Ratspräsidentschaft brachte Bundeserrnährungsministerin Julia Klöckner Anfang September das Thema erweiterte Nährwertkennzeichnung in die Sitzung des EU-Agrarrats ein. Schlussfolgerungen werden für die Ratssitzung im Dezember angestrebt.

Ernährungsbildung auf den Stundenplan setzen

Zugleich kommt von Ernährungsexperten und Medizinern der Hinweis, dass eine Kennzeichnung von Lebensmitteln stets auch mit einer besseren Aufklärung über Ernährung insgesamt einhergehen sollte. Laut einer repräsentativen Studie des AOK Bundesverbandes zeigt mehr als die Hälfte aller Bundesbürger eine problematische oder sogar inadäquate Ernährungskompetenz. 

Die Voraussetzung, um ein gesundheitsförderndes Essverhalten zu entwickeln, sind vielfältige Kompetenzen rund um das Essen und Trinken, sagt auch das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule im Bundeszentrum für Ernährung. Über die Schulzeit hinweg könnten Kinder und Jugendliche gesundheitsfördernde Verhaltensweisen erlernen, aber auch ungünstige Verhaltensmuster korrigieren. Schule sei Lern- und Lebenswelt zugleich, wenn Verpflegung und Ernährungsbildung als ganzheitlicher Ansatz zur Gesundheitsförderung betrachtet werden, heißt es auf der Website des Qualitätszentrums. Experten sind sich weitgehend einig: Im Unterricht ließe sich Lebensmittel- und Nährwertkennzeichnung anschaulich thematisieren und darüber diskutieren, welche Kaufauswirkungen sie haben oder welcher unternehmerische Nutzen dahintersteht.

 

Weitere Informationen