Es ist paradox: Weltweit streiken Schülerinnen und Schüler fürs Klima und ein Großteil der Gesellschaft gibt an, aufgrund des Klimawandels besorgt zu sein. Doch obwohl das nötige Wissen vorhanden ist, bleiben konkrete Handlungen bisher weitgehend aus. Auf dem K3 Kongress zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft diskutierten Wissenschaftler nun über die Frage, wie diese Lücke überwunden werden könnte. Auch die Pädagogische Hochschule Niederösterreich hat sich dem Thema Klimakommunikation angenommen und festgestellt: Bildung und Partizipation sind der Schlüssel.
„In gewisser Weise bin ich gescheitert mit der Kommunikation“, so lautet das Eingeständnis des Klimawissenschaftlers und Meterologen Mojib Latif. „Wir wissen genug, aber handeln tun wir nicht“, so der Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums am zweiten Tag des K3 Kongresses, der Ende September in Karlsruhe stattfand. Es ist eine Erkenntnis, auf die sich alle anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einigen konnten. Es gibt inzwischen genügend Wissen über die Gefahren des Klimawandels, aber an der Umsetzung dieses Wissens in Handlungen hapert es. Die Frage ist also: Was läuft schief?
Paradoxe Entwicklung
Für George Marshall, Gründer des Climate Outreach Information Networks, ist die Antwort klar: „Wir müssen die Kommunikation transformieren.“ Das Wichtigste sei es, so Marshall während des Kongresses, dass die Menschen das Vertrauen bekämen, sie könnten selbst etwas bewirken. Sie müssten zudem verstehen, was der Klimawandel für all das, was sie lieben und schätzen, bedeutet. Der Sozialpsychologe Harald Welzer sprach auch von paradoxalen Effekten: Auf der Bewusstseinsebene hätte die Kommunikation zwar durchaus viel erreicht, da 80 Prozent der Deutschen angeben, sehr besorgt über den Klimawandel zu sein. Jedoch hätten im gleichen Maß, in dem sich das Bewusstsein gesteigert hat, auch alle Werte des Umweltverbrauches zugenommen.
Zudem kritisierte Welzer in seinem Vortrag, dass unsere Kultur geprägt sei von einer Vorherrschaft der Ökonomie. „Das Erstgebot im Jahr 2019 lautet: Du sollst kaufen! Das ist das, was unsere Kinder im ersten Augenblick des Bewusstseins hören und verinnerlichen.“ Hier sei es Aufgabe von Politik, Bildung, Wissenschaft sowie den Medien, ein neues Bewusstsein zu schaffen. Als positives Beispiel nannte er die Fridays-for-Future-Bewegung, die ein Treiber für eine solche Veränderung sein könnte.
Wie Klimaschutz ins Klassenzimmer kommt
Fast zeitgleich zur Konferenz hat die Pädagogische Hochschule Niederösterreich das interdisziplinäre Projekt „Das Anthropozän lernen und lehren“ vorgestellt, das sich als Ziel gesetzt hat, das Anthropozän als Denkrahmen für Bildungsprozesse in die Schule zu bringen. Der Begriff „Anthropozän" ist die Bezeichnung eines neuen Erdzeitalters, das gekennzeichnet ist durch den massiven, folgenreichen Eingriff des Menschen in das System Erde. Gleichzeitig dient der Begriff auch „als kulturelles Konzept für Beschreibung und Gestaltung der Mensch-Natur-Beziehung“, wie es auf der Webseite der Hochschule heißt. Anhand des Beispiels Wasser soll im Schulunterricht eine fächerverbindende Auseinandersetzung mit dem menschlichen Fußabdruck auf der Erde ermöglicht werden.
Der Nachhaltigkeitsforscher Kai Niebert hat dieses Schwerpunktthema für das kommende Studienjahr mitbestimmt. Auch er hat sich bereits mit den Herausforderungen der Klimakommunikation speziell im Bildungsbereich beschäftigt und festgestellt: „Wir müssen spezifischer und genauer werden beim Beschreiben, was die jungen Menschen künftig machen sollen.“. Seine Untersuchungen zeigten, dass mit herkömmlichen Schulprogrammen, in denen Schülerinnen und Schüler zu einem nachhaltigen Leben auf persönlicher Ebene angeregt werden sollten, leider keine klare Bewusstseinsänderung geschaffen werden konnte.
Sein Ratschlag an die Lehrerinnen und Lehrer lautet daher: „Versuchen Sie nicht, die Menschen zu grünem Verhalten zu bringen, sondern machen Sie sie politisch partizipationsfähig!“