In Deutschland drängen immer mehr Unternehmen mit selbst erstellten Unterrichtsmaterialien in die Schulen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will das nicht länger hinnehmen – und spricht sich für eine öffentlich kontrollierte Prüfstelle für diese Materialien aus.
Dies sei nötig, weil die Zahl der von Unternehmen erstellten oder beauftragten, frei verfügbaren Unterrichtsmaterialien mittlerweile „in die Millionen steigt“, so die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer. Schulen und Lehrkräfte könnten diesen Wust kaum noch durchblicken. Sie bräuchten „mehr Orientierung und eine Anlaufstelle, die im Zweifelsfall helfen kann“, so Demmer weiter.
Die Diskussion um die Qualität von Unterrichtsmaterialien aus der Wirtschaft kochte jüngst erneut hoch. Anlass war ein Diskussionspapier der Kölner Initiative Lobbycontrol, das Beispiele für die Einflussnahme auf die Unterrichtsgestaltung seitens der Wirtschaft dokumentiert. Diese Einflussnahme, schreibt Lobbycontrol in einem offenen Brief an die Bildungsministerinnen und -minister der Länder, habe zuletzt zugenommen und werde professionell organisiert.
Die Initiative fordert deswegen die Einrichtung einer Überwachungsstelle, bei der Lehrkräfte, Schüler oder Eltern auffälliges Material prüfen lassen können. Mit einer ähnlichen Forderung hatten sich im vergangenen Jahr auch die GEW und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) an die Kultusministerien gewandt. Laut GEW lehnen die Kultusminister eine „Prüfstelle“ bisher jedoch mit dem Verweis auf den Aufwand und die ausreichende Kompetenz der Lehrkräfte ab.
GEW-Frau Demmer sieht in dieser Argumentation Lücken. Lehrkräfte verfügten zwar über die Kompetenz, professionellen Unterricht zu gestalten. „Die Kultusminister vergessen aber, wie viel Unterricht fachfremd etwa im Bereich Wirtschaft gehalten werden muss.“ Auch koste die kritische Prüfung der Materialien die Lehrkräfte viel Zeit. Das Handwerkszeug dazu werde ihnen weder im Studium noch im Zuge von Fortbildungen vermittelt.
Die GEW plädiert für die Einrichtung einer Prüfstelle für bildungsgefährdende Unterrichtsmaterialien, analog etwa zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Diese Stelle soll auf Antrag tätig werden und könnte nach Ansicht der Gewerkschaft schon durch ihre schlichte Existenz zu mehr Umsicht beitragen. Die öffentliche Hand könne der Einflussnahme auf Unterrichtsgestaltung so einen Riegel vorschieben, so die Bildungsgewerkschaft.
Mit seinem Online-Materialkompass unterstützt der Verbraucherzentrale Bundesverband Lehrkräfte bereits beim Auffinden guter Unterrichtsmaterialen. In die kostenlos nutzbare Datenbank werden Materialien zu Themen der Verbraucherbildung aufgenommen, die zuvor von ausgewiesenen Bildungsexperten bewertet wurden. Der Materialkompass wird durch Mittel des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert.