Der Bundestagswahlkampf geht in die heiße Endphase. Doch nach der Meinung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen scheint bis heute niemand gefragt zu haben. Denn sie wünschen sich vor allem Lehrpläne, die stärker daraus ausgerichtet sind, was man im Alltag und Beruf braucht – eine Forderung, die in den Wahlprogrammen nicht vorkommt.
„Beste Schulen“ (SPD), „beste Bildung und Ausbildung“ (CDU/CSU), „gute Bildung für alle" (Die Linke), „Schulen fit für die Zukunft machen" (Die Grünen) oder sogar die „weltbeste Bildung“ (FDP): Das fordern Parteien in ihren Programmüberschriften zur Bildungspolitik. Die Liste der Wahlversprechen, die folgt, ist lang. Doch die Vorstellungen der Jugendlichen scheinen kaum Berücksichtigung zu finden. Laut einer Studie des IfD Allensbach wünschen sich die 15- bis 24-Jährigen im Bereich Bildung nämlich an erster Stelle Lehrpläne, die stärker darauf ausgerichtet sind, was man in Alltag und Beruf braucht. Diesen Wunsch äußerten 73 Prozent der insgesamt 1.564 Befragten.
Verbraucherbildung von klein auf
Diese Aussage deckt sich mit den Forderungen des Verbraucherzentrale Bundesverbans (vzbv). Eine Kernforderung der Verbraucherschützer beim vzbv ist die bundesweite Verankerung von Verbraucherbildung an allen Schulformen – um Kinder fit für den Alltag und ihre Zukunft zu machen. „Als präventiver Verbraucherschutz ist Verbrauchbildung von bundesweiter Bedeutung“, schreibt der vzbv in seinen Forderungen zur Bundestagswahl.
Das Wort Verbraucherbildung kommt allerdings nur in zwei Wahlprogrammen direkt vor. Die CDU geht darauf in Bezug zur Landwirtschaft ein: „Wertschätzung für diese hochwertigen heimischen Produkte wollen wir durch Verbraucherbildung von Kindesalter an fördern. Darin liegt großes Potenzial, Lebensmittel richtig einzusetzen und die Verschwendung zu reduzieren.“ Die Linke schreibt: „Verbraucherbildung muss soziale und ökologische Auswirkungen mit einbeziehen.“ Wie und wo Verbraucherbildung konkret stattfinden sollte, dazu äußert sich keine der großen Parteien. Dem Verbraucherschutz hingegen widmen alle Parteien vergleichsweise viel Aufmerksamkeit – in Bezug auf die digitale Welt, Lebensmittel, Klageregeln, Qualitätssiegel oder Finanzen.
Die FDP fordert darüber hinaus die Einführung eines eigenen Schulfachs „Wirtschaft“, wobei diese Forderung nicht mit bestehenden Aktivitäten der Verbraucherbildung in Verbindung gebracht wird. Die Freien Demokraten möchten damit „eine Kultur des Gründergeistes und der Risikobereitschaft fördern“.
Das Kooperationsverbot
Als Mittel, um Verbraucherbildung bundesweit mit einer Qualitätsstruktur in den Unterricht zu bringen, benennt der vzbv vor allem die Abschaffung des Kooperationsverbotes. „Die Abschaffung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern würde es ermöglichen, die Länder bei ihren Bildungsaufgaben zeitlich begrenzt zu unterstützen und zu fördern“, heißt es in den Forderungen. Verbraucherinnen und Verbraucher sehen das genauso: In einer aktuellen Umfrage von forsa im Auftrag des vzbv fordern 81 Prozent, dass der Bund die Länder dauerhaft finanziell unterstützen kann.
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Im Wahlkampf hat die SPD hat dieses Thema für sich entdeckt. „Der Bund darf nicht an den Schultoren stehenbleiben“ sagte Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) Ende August in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Das Gesetz, das eine Einmischung des Bundes in die Schulpolitik untersagt, würde er gerne abschaffen. Hier steht er im Schulterschluss mit Grünen, Linken sowie der FDP, in deren Wahlprogrammen sich die Forderung ebenfalls findet. Die CDU hält derweil in ihrem Programm an der 2006 getroffenen Regelung der strikten Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern fest: „Schulbildung ist nach der Ordnung des Grundgesetzes Ländersache und wird es bleiben.“
Prüfung von Unterrichtsmaterialien
Was bringt die Möglichkeit der Kooperation zwischen Bund und Ländern? Aus Sicht der Verbraucherbildung zum Beispiel die Chance, bundesweite Standards für eine unabhängige, qualitätsgesicherte Verbraucherbildung zu etablieren. „Damit Verbraucherbildung nicht zur Werbeveranstaltung verkommt, müssen Unterrichtsmaterialien externer Anbieter, etwa Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, unabhängig geprüft werden“, schreibt der vzbv von der Bundestagswahl und nennt den Materialkompass Verbraucherbildung als Instrument der Qualitätssicherung, das in dieser Form verstetigt werden müsse.
Zu diesem Thema halten sich die Parteien bedeckt. Einzig Die Linke geht auf die Frage der Lehrmittel ein und setzt sich vor allem gegen kommerzielle Einflüsse von außen ein: „Wir wollen Lobbyismus in Schule und Unterricht unterbinden. […] Schulen müssen besser mit Lehrmitteln ausgestattet werden. Lehrkräfte sollten nicht länger aus Finanznot gezwungen sein, auf externes Unterrichtsmaterial zurückgreifen zu müssen. DIE LINKE will freie, nichtkommerzialisierte Lehr- und Lernmaterialien für den gesamten Bildungsbereich mit Bundesmitteln fördern.“ Forderungen im Wahlprogramm der SPD zum Thema Unterrichtsmaterialien allgemein gehen in eine ähnliche Richtung: „Um die Qualität des Unterrichts zu verbessern, wollen wir den Austausch von guten Konzepten fördern und dies durch begleitende Bildungsforschung unterstützen. […] Neue Erkenntnisse über erfolgreiche Lern- und Unterrichtskonzepte müssen für Schulen schneller nutzbar gemacht werden.“
Medienkompetenz von Schülern steigern
Für die Verbraucherbildung ist die Medienkompetenz ein wichtiger Punkt. Wenn Schüler Fakten überprüfen und eigenständig recherchieren können, sich mit Datenschutz oder der Funktionsweise von Algorithmen auskennen, können sie auch Konsumentscheidungen im Alltag besser treffen. Das Thema spielt daher auch in den Wahlprogrammen aller Parteien eine wichtige Rolle. Im Programm der FDP heißt es: „Lehrerinnen und Lehrer sollen im Bereich Medienkompetenz verpflichtend weitergebildet werden.“ Die CDU fordert, Kinder sollten bereits in der Schule fächerübergreifend Medienkompetenz insbesondere mit den „sogenannten Social Media" erlernen. Die Grünen sprechen von „Digitaler Kompetenz“, die vermittelt werden müsste für ein selbstbestimmtes Leben, und die SPD schreibt: „Digitale Bildung muss Gegenstand von Schul- und Unterrichtsentwicklung sein. Kompetenzen im Umgang, Einsatz, Gestaltung und in der Nutzung digitaler Medien und Technik sind wichtig.“
Dr. Vera Fricke, Bildungsexpertin beim vzbv, merkt dazu an: „Um eine digitale Bildung zu fördern, die die Interessen von Schülerinnen und Schülern als junge Verbraucher berücksichtigt, muss die vielfach von den Parteien für Schulen geforderte digitale Infrastruktur unabhängig sein und Datenschutz gewährleisten. Dazu qualitätsgeprüfte Inhalte und Fortbildungen für Lehrkräfte - so sähe die zukunftsfähige Bildung aus, die wir nach der Wahl Schülerinnen, Schülern, Eltern und Lehrenden wünschen."