Eine gesunde Ernährung – was die ausmacht, lernen Kinder und Jugendliche schon in der Schule. Aber wie gut sind eigentlich die Unterrichtsmaterialien, mit denen sie lernen? Die Haushaltsökonomin Mirjam Jaquemoth von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat das mit ihrem Team erforscht. Fünf Fragen an sie.
1. Frau Prof’in Jaquemoth, was genau haben Sie untersucht?
Wir haben unterrichtsbegleitende Materialien zur Ernährungsbildung analysiert, empirisch. Insgesamt waren das 32 Materialien, die wir dem Materialkompass des Verbraucherzentrale Bundesverbands vzbv entnommen haben und die dort mit „sehr gut“ bewertet wurden. Während der Materialkompass den fachlichen Inhalt, Methodik/Didaktik und die formale Gestaltung bewertet und daraus eine Note bildet, ging es uns um die sachliche Richtigkeit dieser Materialien.
2. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Zu einem durchmischten. Wir haben 2745 Sinneinheiten aus den Materialien unter die Lupe genommen – also sozusagen deren Mikroebene, ihre jeweiligen Aussagen zu bestimmten Aspekten. 2010 dieser Sinneinheiten waren korrekt. Der Rest wies Mängel auf: Da stellten Autoren Inhalte als Fakten dar, obwohl sie wissenschaftlich strittig sind, oder es wurden Informationen verkürzt wiedergegeben oder unterschlagen. In einem Material haben wir zum Beispiel eine lange Liste zur Zusammensetzung des Preises von Süßigkeiten gefunden – ohne dass der Einfluss der verarbeiteten Zutaten auf den Preis eine Rolle spielte.
3. Konnten Sie weitere blinde Flecken entdecken?
Ja. Wir haben festgestellt, dass inhaltlich oft bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden: auf Fragen des Konsums oder der Ernährungsphysiologie etwa. Anderes fällt dagegen runter: das Thema Lebensmittelhandel oder die Verarbeitung von Lebensmitteln. Wir finden, das springt zu kurz. Denn meinen Konsum kann ich nur reflektieren, wenn ich weiß, wo meine Lebensmittel herkommen. Einige Materialien erwecken den Eindruck, Landwirte zauberten sie auf unsere Tische.
4. Woran können Lehrkräfte denn gute Materialien erkennen?
Da gibt es klare Kriterien: Gute Unterrichtsmaterialien zur Ernährungsbildung bleiben nicht bei einfachen Wahrheiten stehen. Sie greifen Widersprüche auf, folgen Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens und einem roten Faden. Sie müssen das jeweilige Thema durchdringen, wollen sie echte Hilfestellung geben – gerade weil viele Lehrkräfte Ernährungsbildung fachfremd unterrichten und sich ihr Fachwissen auch über solche Materialien aneignen.
5. Im Schulalltag dürfte das viele Lehrkräfte vor Schwierigkeiten stellen.
Wir haben im Teilprojekt unserer Studie eine Checkliste entwickelt, an der sie sich bei einer Bewertung entlang hangeln können. Die führt zahlreiche Kriterien auf, aus denen die Lehrkräfte die für sie Relevanten auswählen und gewichten können. Unser Wunsch ist selbstverständlich, diese Checkliste nach Abschluss unserer Studien allen Interessierten bereitstellen zu können.
Datum: 23.11.2015
„Einfache Wahrheiten taugen nicht zur Ernährungsbildung“
Fünf Fragen an… Prof’in Mirjam Jaquemoth, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf