Im Interview erläutert Anke Wolf, Koordinatorin des Projekts Verbraucherschule, die Relevanz von Verbraucherbildung im Unterricht und wie das Netzwerk Verbraucherschule Lehrkräfte unterstützt.
Frau Wolf, was verstehen Sie unter Verbraucherbildung?
Verbraucherbildung klingt abstrakt, ist aber alltagsrelevant. Wir alle kaufen täglich Produkte ein – sei es im Supermarkt, im Kleidungsgeschäft oder online, wir nutzen Dienstleistungen und unzählige Apps. Dabei sind wir mit ganz vielen Fragen konfrontiert: „Was sind sinnvolle Angebote?“, „Was ist gesund?“, „Was sind Produkte, die auf Kosten der Umwelt oder zu schlechten Arbeitsbedingungen gefertigt werden?“. Verbraucherbildung hilft, sich dieser Fragen bewusst zu werden, und informierte Entscheidungen zu treffen, die gut für mich sind, aber auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen.
Lernt man diese Kompetenzen Ihrer Meinung nach nicht im Elternhaus?
Schön wäre das sicherlich, aber die Realität sieht anders aus. Wir leben in einer Welt, die immer komplexer wird und sehr viel Eigenverantwortung fordert. Zugleich sind die Ausgangsbedingungen in den Elternhäusern sehr unterschiedlich. Verbraucherbildung bedeutetet Teilhabe und gleiche Chancen. Wenn wir wollen, dass alle jungen Menschen, die die Schule verlassen, eigenverantwortlich und kritisch Entscheidungen treffen können, wenn es um Produkte und Dienstleistungen geht, dann gehört Verbraucherbildung auch in die Schule.
Welche Rolle spielt dabei das Netzwerk Verbraucherschule?
Mit dem Netzwerk Verbraucherschule wollen wir vor allem eine Idee davon vermitteln, wie sich Themen der Verbraucherbildung in den Unterricht, aber auch in den Schulalltag integrieren lassen. Es gibt Online-Fortbildungen, wir stellen Maßnahmen zum Nachmachen vor und bieten Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. So hat zum Beispiel eine Schule aus Hessen ein erfolgreiches Finanzbildungsprojekt aus Schleswig-Holstein aufgegriffen und für sich angepasst. Ziel ist es, über Impulse, Austausch und Materialien den Kompetenzaufbau bei Lehrkräften zu fördern.
Ist das auch für Schulen interessant, die sich bereits in der Verbraucherbildung engagieren?
Wir möchten Schulen, die einsteigen wollen in die Verbraucherbildung, genauso ein Angebot machen wie Schulen, die bereits in der Verbraucherbildung aktiv und daran interessiert sind, Inhalte weiterzuentwickeln oder ihr Schulprofil dahingehend anzupassen. Dafür ist der Austausch unter den Schulen natürlich hilfreich. Mit der Auszeichnung Verbraucherschule bekommen Schulen, die besonders aktiv sind, zudem die Möglichkeit, ihr Engagement nach außen hin sichtbar zu machen.
Die Inhalte von Verbraucherbildung sind an Produkte auf dem Markt geknüpft, die sich stetig verändern. Wie geht Verbraucherbildung mit dieser Schnelllebigkeit um?
Es stimmt, die Produkt- und Konsumwelt entwickelt sich stetig weiter: Es gibt neue Social-Media-Apps, neue Protein-Riegel, neue Internet- und Handyverträge, aber auch veränderte moralische Anforderungen an unseren Konsum. Das bedeutet aber nicht, dass man jedes Jahr ein neues Unterrichtsmaterial für die neuste App benötigt. Es geht bei Verbraucherbildung darum, Kompetenzen zu entwickeln, die mich in die Lage versetzen, Angebote hinterfragen und vergleichen, seriöse Quellen identifizieren und reflektierte Entscheidungen treffen zu können. Diese Kompetenzen sind immer gefragt, auch wenn sich die Welt verändert.