Nachhaltigkeit soll im Bildungssystem eine wichtige Rolle spielen. Festgeschrieben ist das seit 2017 im Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung. Drei Jahre später hat sich einiges bewegt, dennoch ist noch viel zu tun.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bedeutet, Menschen zu befähigen, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen und ihre Zukunft selbst zu gestalten. Damit sich das nicht nur theoretisch gut anhört, sondern auch praktisch umgesetzt wird, hat die „Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2017 einen Aktionsplan für Deutschland verabschiedet. Er umfasst 130 Ziele und 349 Handlungsempfehlungen. Sie sollen dazu beitragen, Maßnahmen der nachhaltigen Entwicklung in den Strukturen der Bildung zu verankern – damit der Wandel zu nachhaltigem Denken und Handeln gelingt. Konkret heißt es im Nationalen Aktionsplan: „Wenn es darum geht, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) erfolgreich im Bildungswesen zu verankern, kommt der schulischen Bildung durch ihren prägenden Einfluss auf individuelle Bildungsbiografien eine besondere Bedeutung zu.“ Sollen die ausgeschriebenen Ziele also erreicht werden, muss Nachhaltigkeit im Sinne eines „Whole System Approach“ auch im Schulsystem strukturell verankert werden: Nachhaltigkeit muss demnach verstärkt Eingang in Lehrpläne, Curricula und Ausbildungsordnungen finden.
Im Jahr 2018 wurden bei einer Online-Befragung im Rahmen des nationalen BNE-Monitorings rund 2.500 14- bis 24-Jährige und etwa 500 Lehrkräfte befragt. Mehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler gab an, dem Thema Nachhaltigkeit in der Schule noch nicht begegnet zu sein, bei den Auszubildenden und Studierenden waren es sogar über 50 Prozent.
Vorbild Verbraucherschulen
Seither hat sich einiges getan. Zahlreiche Lernorte, Netzwerke und kommunale Projekte zeigen, wie sich BNE in der Praxis umsetzen lässt. Beispiele guter schulischer BNE-Praxis finden sich beispielsweise im Netzwerk Verbraucherschule des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Es vernetzt und würdigt Schulen,die sich aktiv für Verbraucherbildung in ihrem Schulumfeld einsetzen. Eines der geprüften Handlungsfelder: Nachhaltiger Konsum und Globalisierung. Interessierte finden beim Netzwerk unter anderem Porträts der ausgezeichneten Verbraucherschulen mit inspirierenden Projekten, die sich auch auf den eigenen Schulalltag übertragen lassen. Egal ob eine Schule Ressourcen möglichst klimaschonend einsetzt, Reparatur-Workshops anbietet oder einen eigenen Garten bewirtschaftet – die Möglichkeiten, BNE-Themen in den Lehrplan zu integrieren, sind vielfältig. Eine Anmeldung im Netzwerk ist für Schulen jederzeit möglich. Der Bewerbungsschluss der neuen Auszeichnungsrunde ist der 15. November 2020.
Prämierte Praxisbeispiele
Auch das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und die deutsche UNESCO-Kommission zeichnen jedes Jahr besonders herausragende Akteure aus, die im Rahmen von BNE tätig sind. Die Prämierten werden auf der UNESCO-Website gesondert ausgestellt. Die vielfältigen Lernorte reichen beispielsweise vom Projekthof Karnitz in Mecklenburg-Vorpommern, der von der Wassergewinnung zur Pflanzenkläranlage einen nachhaltigen Lebensstil umsetzt, bis hin zur Integrierten Gesamtschule Oyten in Niedersachsen, die nachhaltige Entwicklung als Grundhaltung in Bildungsfragen und für das gesamte Schulleben versteht.
In der beruflichen Bildung wird BNE ebenfalls gestärkt. In einer neuen Transfer-Phase fördert das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beispielsweise mit 2,5 Millionen Euro aus Mitteln des BMBF neue Modellversuche zur Verbreitung und Verstetigung erfolgreicher, nachhaltigkeitsbezogener Weiterbildung des betrieblichen Ausbildungspersonals. Denn um Nachhaltigkeit in der beruflichen Ausbildung zu vermitteln, so die BIBB-Meinung, brauchen Ausbilderinnen und Ausbilder neue Kompetenzen und Qualifikationen. Dies gelte insbesondere für Berufe, die sich durch digitalisierte Prozesse verändern.
Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Aktionsplans spielt zudem die Qualitätssicherung von freien BNE-Bildungs- und -Unterrichtsmaterialien. Bund und Länder sollten sich darüber verständigen, wie Kriterien und Verfahren der Qualitätssicherung konkret aussehen sollen, und dabei auf bewährte Datenbanken und Bewertungsverfahren wie den Materialkompass des Verbraucherzentrale Bundesverbands zurückgreifen.
Weltaktionsprogramm für nachhaltige Entwicklung
Seit mehr als 15 Jahren treibt die UNESCO BNE weltweit in verschiedenen Programmen voran. Der Nationale Aktionsplan ist Deutschlands Beitrag zum fünfjährigen UNESCO Weltaktionsprogramm nachhaltige Entwicklung (2015-2019). Der Text wurde in einem breiten, transparenten und partizipativen Prozess von über 350 Organisationen und Vertretern aus Zivilgesellschaft, Politik, Bildung und Wirtschaft unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erarbeitet. 2020 hat die Unesco das neue Programm „BNE 2030“ gestartet. Damit beginnt eine neue BNE-Dekade, mit dem die Verankerung von BNE in den globalen Bildungslandschaften weiter vorangetrieben werden soll. „Wir brauchen ein Bildungssystem, das Lehrende und Lernende dazu befähigt zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen“, so Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung.