Datum: 12.10.2016

Gute Unterrichtsmaterialien: Experten loben Bewertungsraster des vzbv

„Kriterienkatalog lenkt Blick auf Verbesserungspotenziale“

(c) pixabay - CC0 Public Domain

Konsumrelevante Unterrichtsmaterialien auf den inhaltlich-didaktischen Prüfstand stellen – dieser Aufgabe widmet sich der Materialkompass des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V., vzbv, seit 2010. Grundlage der Prüfungen ist ein ausgefeilter Kriterienkatalog. Mittlerweile nutzen ihn weitere Organisationen, um ihre eigenen Materialien zu optimieren.

„Der Kriterienkatalog des vzbv ergänzt unsere Arbeit hervorragend“, sagt Maria Schumm-Tschauder von der Siemens Stiftung, dem wohl größten Herausgeber frei zugänglicher Unterrichtsmaterialien in Deutschland. 5.500 Einzelmedien hat die Stiftung im Angebot, von einzelnen Grafiken über komplexe Animationen bis hin zu umfangreichen Ideen für die Gestaltung mehrerer Schulstunden, vorrangig in naturwissenschaftlich-technischen Fächern. Als Projektleiterin koordiniert und prüft Schumm-Tschauder deren Erstellung.

„Bei der Entwicklung und Überarbeitung unserer Unterrichtsmaterialien folgen wir einem standardisierten Qualitätssicherungsprozess“, sagt sie. Die Stiftung habe ihn gemeinsam mit Bildungsexperten entwickelt, um eine hohe Güte der eigenen, von externen Dienstleistern erstellten Materialien zu gewährleisten. „Wir betreiben viel Aufwand, bevor wir unsere Materialien veröffentlichen“, so Schumm-Tschauder. Deren fachliche Richtigkeit werde ebenso überprüft wie die Methodik und Didaktik, die rechtlichen Voraussetzungen oder deren formale Gestaltung.

Siemens Stiftung: vzbv-Kriterien mit  eigenen Indikatoren abgeglichen

Um zu erfahren, wie eine unabhängige Organisation wie der vzbv die eigenen Publikationen einschätzt, hat die Siemens Stiftung 2013 zwei Unterrichtspakete zur Bewertung beim Materialkompass eingereicht. Eines zum Thema Datenschutz und Datensicherheit, eines zum Energiesparen. Während die vom vzbv beauftragten unabhängigen Bildungsexperten das erste Material mit der Gesamtnote „sehr gut“ bewerteten, gab es für das zweite lediglich ein „befriedigend“. „Für uns“, so Schumm-Tschauder, „war das Anlass, uns den Kriterienkatalog des vzbv und die Kritik der Gutachter genauer anzuschauen“.

Bei der Beschäftigung damit stellten die Stiftungs-Fachleute fest, dass sich das Bewertungsraster des vzbv in vielen Punkten mit den eigenen Kriterien deckt. So seien beide Kataloge „sehr feingliedrig“. Durch die Vergabe von Punkten für den fachlichen Inhalt, Methodik und Didaktik sowie die formale Gestaltung ließen sich Kritikpunkte genau nachvollziehen. „Für uns war das sehr hilfreich“, sagt Schumm-Tschauder. Denn die Bewertung der eigenen Materialien durch externe Gutachter „hat unseren Blick auf weitere Verbesserungspotenziale gelenkt“.

So habe man bei der Neuauflage des mit „befriedigend“ bewerteten Materials die Handreichung für Lehrkräfte bei der Medienanzeige deutlich hervorgehoben. Die Gutachter des vzbv hatten deren Position zuvor als „zu versteckt“ bemängelt. „Wir haben uns auch gefragt, wo wir vielleicht weitere Perspektiven abbilden, stärker auf Neutralität achten müssen“, so Schumm-Tschauder. Das sei sehr hilfreich gewesen. Auch deswegen habe man das Bewertungsraster des vzbv schließlich mit den eigenen Kriterien abgeglichen und darin einiges neu gewichtet.

FSM: Bewertung durch vzbv stärkt Reputation

Nicht nur die Siemens Stiftung hat sich intensiv mit dem Indikatorensatz des vzbv beschäftigt. Auch die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) nutzt den Katalog zur Optimierung von ihr herausgegebener Unterrichtsmaterialien. Der gemeinnützige Verein berät Unternehmen beim Thema Jugendmedienschutz in Online-Medien und engagiert sich mit dem Projekt „Medien in die Schule“ bei der Vermittlung von Medienkompetenzen, auch durch Herausgabe von Unterrichtsmaterialien. Getragen wird die FSM von rund 50 Unternehmen, darunter Branchengrößen wie Google Deutschland oder Facebook.  

Björn Schreiber arbeitet bei der FSM als Referent für Medienbildung. Er sagt, das Bewertungsraster des vzbv mache „sehr deutlich, welche Qualitätskriterien erfüllt sein müssen, um Unterrichtsmaterialien inhaltlich, didaktisch-methodisch und formal gut aufzubereiten“. Die FSM hat im vergangenen Jahr zwei ihrer Publikationen überarbeitet und anschließend von Gutachtern des vzbv auf den Prüfstand stellen lassen. Eines zum Thema „Jugend und Handy“, das mit „gut“ bewertet wurde; eines zum Thema „Jugend und Internet“, das ein „sehr gut“ erzielte.

Schon zuvor, so Schreiber, habe die FSM sich den Kriterienkatalog des vzbv sehr genau angeschaut. „Einfach um nachvollziehen zu können, wie die Bewertungen zustande kommen“. Dabei habe man selbst noch einiges für die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien gelernt. „Wir schauen jetzt noch stärker darauf, dass unsere Materialien möglichst viele aktuelle Bezugspunkte haben, sie noch stärker zum Diskutieren anregen und möglichst viele unterschiedliche Perspektiven abbilden.“ Gelernt habe man auch, Arbeitsaufträge noch klarer zu formulieren und Zielgruppen stärker herauszustellen. Nach Hinweisen der vzbv-Gutachter habe man zudem das Layout der Unterrichtsmaterialien angepasst. 

„Die meisten Kriterien aus dem Bewertungsraster des vzbv hatten wir auch zuvor schon unserer Arbeit zugrunde gelegt“, sagt der Medienexperte. „Es ist aber gut, sich diese immer wieder bewusst vor Augen zu führen und die eigenen Materialien durch die Brille einer unabhängigen Institution wie dem vzbv zu betrachten.“ Schneide man in deren Bewertung gut ab, diene dies schließlich auch der eigenen Reputation. „Wenn eine unternehmenskritische Organisation wie der vzbv unsere Materialien gut bewertet, können wir etwaigen Vorwürfen, unsere Unternehmensmitglieder nähmen Einfluss auf unsere inhaltliche Arbeit, mit zusätzlichem Gewicht entgegentreten.“

Experten erachten Bewertung durch unabhängige Stellen für wichtig

Schreiber erachtet es grundsätzlich als wichtig, dass es überhaupt unabhängige Stellen wie den vzbv gibt, die sich um die Bewertung von frei zugänglichen Unterrichtsmaterialen bemüht. Es sei zwar zentral, dass Lehrerinnen und Lehrer dies in ihrer Ausbildung lernten. „Mittlerweile gibt es aber derart viele Unterrichtsmaterialien im Netz, dass eine Bewertung durch unabhängige Institutionen sinnvoll ist.“ Letztlich diene diese auch der Qualitätssicherung im Bildungswesen.

Ähnlich argumentiert Schumm-Tschauder von der Siemens Stiftung. „Eine staatliche Prüfstelle stieße aufgrund des Umfangs des Angebots vermutlich schnell an ihre Grenzen“, sagt sie. Unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen könnten diese Lücke ein Stück weit füllen, indem sie die in ihrem jeweiligen Fachgebiet kursierenden Materialien im Blick hielten. Die Siemens Stiftung plant selbst in diese Richtung. Beim anstehenden Umbau ihres Medienportals für Unterrichtsmaterialien will sie eine Funktion einbauen, mit denen Lehrerinnen und Lehrer die Materialien der Stiftung bewerten können.

Über den Kriterienkatalog des Materialkompass’

Den Kriterienkatalog zur Bewertung von Unterrichtsmaterialien in der Verbraucherbildung hat der vzbv 2010 von Prof’in Dr. Kirsten Schlegel-Matthies, Universität Paderborn, entwickeln lassen. Er basiert auf den „Kriterien der Expertengruppe zur Bewertung von Unterrichtsmaterial der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung“ und Erkenntnissen des Projektes zur „Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen“ (REVIS). Prof. Dr. Tim Engartner und Christoph Bauer von der Universität Frankfurt haben das Raster Ende 2012 evaluiert und überarbeitet. Dabei wurden die rund zwei Dutzend fachlichen, didaktischen und gestalterischen Indikatoren geschärft und die Berechnungen zur Notenvergabe verfeinert. Seit Anfang 2013 werden alle Materialien mit Hilfe der evaluierten Fassung bewertet.