Datum: 15.09.2021

Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammendenken

Die Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien bietet die Chance, mit den Schüler:innen zu thematisieren, wie sich die Produktion dieser Technik auf die Umwelt auswirkt.

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Regionale Lebensmittel für die Mensa oder eine Fair-Trade-AG am Nachmittag – viele Schulen haben es als ihre Aufgabe angenommen, ihre Schüler:innen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Als Anlass kann auch die eigene schulische Digitalisierung dienen. Wie sie sich mit Nachhaltigkeitsbildung im Unterricht effektiv verbinden lässt, erforscht Professor Johannes Huwer von der Universität Konstanz.

Die Arbeitsgruppe von Professor Huwer widmet sich zwei Schwerpunkten

  • der Digitalisierung in den Naturwissenschaften und
  • der Nachhaltigkeitsbildung/Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE).  

„Wir erforschen die Themenbereiche auch getrennt, aber die Schnittmenge interessiert uns besonders“, sagt Huwer. Sie zusammenzudenken sei lediglich konsequent. „Beide Themenfelder haben eine eklatante Bedeutung für die Zukunft. Unterricht, der Kinder und Jugendliche auf die kommenden Anforderungen vorbereiten möchte, kommt ohne sie nicht aus.“ Diese Auffassung lässt sich auch in der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz (KMK) wiederfinden. Dem darin formulierten Kompetenzrahmen zufolge ist es nicht nur Aufgabe von Schule, den Schüler:innen den praktischen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln, sondern auch mit ihnen die „Umweltauswirkungen digitaler Technologien“ zu thematisieren.

Lernen mit und über Medien

Eine Möglichkeit, dies im Unterricht umzusetzen, hat Professor Huwer mit seiner Arbeitsgruppe und in Zusammenarbeit mit „FreiEx“, dem Labor für Schüler:innen der Universität Bremen, entwickelt. Ihr Projekt „Seltene Erden & Co in der digitalen Nachhaltigkeitsbildung“ setzt auf das Konzept Lernen mit und gleichzeitig über digitale Medien.

Beim Abspielen des Videos werden nutzerbezogene Daten zu Youtube übertragen. Weitere Informationen

Im Fokus steht das iPad verbunden mit der Frage, aus welchen Rohstoffen es besteht. Die Herausforderung dabei: „die geografische und emotionale Distanz“ zu überwinden, so Huwer. Der Abbau der Rohstoffe erfolgt in anderen Ländern, die Komponenten des iPads sind von außen nicht sichtbar und viele Prozesse finden auf molekularer Ebene statt. Um das Thema trotzdem nahbar zu gestalten, hat das Projektteam Lehr-Lernumgebungen entwickelt, die mithilfe von Augmented Reality (AR) einen Einblick in die Technik ermöglichen und „das Unsichtbare sichtbar machen“, erklärt Professor Huwer. Dies ist möglich, da Augmented Reality die reale Welt um virtuelle Aspekte ergänzt. Auf diese Weise können die Schüler:innen beispielsweise in einer der Lernumgebungen das iPad auseinandernehmen und die Bestandteile des Gerätes sowie ihre Zusammensetzung kennenlernen. Andere Lernumgebungen ermöglichen verschiedene Experimente, darunter das Recycling von Bestandteilen wie Kupfer.

Der Einsatz der AR sei niedrigschwellig, so Huwer: Der AR-Trigger, der die Visualisierung der virtuellen Lernumgebung auslöst, muss ausgedruckt und das Tablet an die vorgegebene Stelle auf dieser Platzdecke gelegt werden. Anschließend lässt sich die Lernumgebung mit der App ZappAR auf dem Smartphone oder einem weiteren Tablet öffnen.

Von den Komponenten zur Produktion

Das Projekt richtet sich an die Klassen 9 bis 13 aller Schulformen. Ziel ist es unter anderem, die Schüler:innen aufzuklären, wie sich die Produktion digitaler Medien am Beispiel des iPads auf die Umwelt auswirkt: von der Förderung der benötigten Rohstoffe und dem Transport, über die Herstellung bis zur Entsorgung und dem Recycling einzelner Komponenten. In diesem Zusammenhang will die Unterrichtseinheit die Lernenden auch sensibilisieren, dass wichtige elementare Bestandteile wie beispielsweise Coltan nur begrenzt auf der Erde vorkommen. Daran schließt sich die Frage an, welche Komponenten sich ersetzen lassen. Mit Blick auf die Hülle und Verpackung aus Kunststoff lässt sich ebenfalls über Alternativen nachdenken sowie über Möglichkeiten der Müllreduzierung. Im Zuge der Arbeit mit den Tablets lernen die Schüler:innen somit nach und nach wichtige Fakten zur Nachhaltigkeit dieser Technik.

Und diese stoßen scheinbar auf Interesse, wie eine Befragung unter Schüler:innen nach der Projekt-Erprobung vermuten lässt: „Rund 85 Prozent gaben an, mehr über das Thema sprechen zu wollen“, so Huwer. Hier bestehe Potenzial, die Inhalte zu vertiefen. Wichtig bei der Nachhaltigkeitsbildung sei zudem, Handlungs- und Entscheidungskompetenz zu stärken. Mit den Schüler:innen lohne es sich zu reflektieren: Ist das aktuelle Smartphone wirklich ein Muss? Und falls ja: Was passiert mit dem alten Gerät?