Deutschland hat sich mit der Energiewende ein Ziel gesetzt, das erst in einigen Jahrzehnten erreicht sein wird. Weil die Kinder von heute die Gestalter von morgen sind, sollte das Thema fest im Bildungsangebot der Schule verankert werden. Dies ist über alle Partei- und Ländergrenzen hinweg Konsens. An einigen Schulen wird dieses Ansinnen schon umgesetzt.
Als das Land Brandenburg anregte, fächerübergreifende Seminarkurse in der gymnasialen Oberstufe anzubieten, entschied Katrin Fritsch, das selbst auszuprobieren. Sie ist am Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg in der Lehrerfortbildung aktiv. Nur wenn sie eigene Erfahrungen mit dem neuen Unterrichtsfach habe, könne sie Anregungen für andere Lehrer geben, sagt die Biologie- und Chemielehrerin. Als Thema für ihren Kurs am Gymnasium „Am Burgwall“ in Treuenbrietzen wählte sie erneuerbare Energien. Es war eine pragmatische Entscheidung: Den Schülern sollten keine Kosten durch Ausflüge entstehen. Die Lehrerin suchte ein Thema, das sich von Treuenbrietzen aus ergründen ließ. „Da fiel mir sofort Feldheim ein“, erzählt sie.
Energieautarkes Dorf unterstützt beim Lernen
Feldheim ist ein Ortsteil von Treuenbrietzen. Bundesweit bekannt geworden ist er als erstes energieautarkes Dorf in Deutschland. Strom und Wärme stammen nicht nur aus eigenen Kraftwerken, sondern gelangen auch über eigene Netze zu den rund 130 Einwohnern. Basis der Energieversorgung sind ausschließlich regenerative Energien in Form von Windkraft, Biomasse und Biogas. Zudem besitzt der Ort einen Photovoltaikpark, der jedoch ins Netz von Eon Edis einspeist. Um Unterstützung angefragt, sagte das Neue-Energien-Forum von Feldheim sofort zu. „Wir haben nun einmal die Möglichkeit, den Schülern grüne Energien vorzuführen“, sagt Forumsmitglied Joachim Gebauer, der gewöhnlich Besucher aus dem In- und Ausland durch den Ort führt und die Energieversorgung erklärt.
Praxisleitfaden für andere Schulen erarbeitet
Einen weiteren Partner gewann Fritsch mit dem Projektverbund kobra.net (Kooperation in Brandenburg). Über deren Projekt „Schule mit Energie“ hat das Gymnasium Materialien für den naturwissenschaftlichen Unterricht erhalten. Aus der Zusammenarbeit entstand ein Praxisleitfaden, über den andere Schulen einen vergleichbaren Seminarkurs entwickeln können. Andere Gymnasien in Brandenburg hätten bereits großes Interesse an dem Leitfaden gezeigt und wollten ähnliche Kurse aufbauen, heißt es von kobra.net. Ab nächstem Schuljahr sind Seminarkurse verpflichtend in der gymnasialen Oberstufe in Brandenburg einzuführen. Ziel ist es, Schüler an wissenschaftliches Arbeiten und die Gestaltung ihrer beruflichen Entwicklung heranzuführen.
Schülerinnen und Schüler stellen im Unterricht Biogas her
Der Seminarkurs „Erneuerbare Energien“ in Treuenbrietzen umfasst zwei Wochenstunden über zwei Jahre. 2012 startete der erste Durchgang mit zehn Schülerinnen und Schülern. Die anderen im Jahrgang belegen dafür einen Grundkurs mehr. In der 11. Klasse lernten die Seminarteilnehmer/innen alles über erneuerbare Energietechniken - im Unterricht in Treuenbrietzen, aber zum großen Teil auch bei Exkursionen in Feldheim. Dort stellten sie Biogas selbst her, brannten es ab und untersuchten die Einflussfaktoren auf die Gasproduktion. Beispielsweise: „Was passiert, wenn Zucker fehlt, oder wenn man die doppelte Menge Bakterien nimmt“, erklärt Gebauer. Sie experimentierten mit Solarmodulen, indem sie die elektrischen Kenndaten in Abhängigkeit von Verschattung und Neigungswinkel der Module maßen. An einem Demo-Windrad lernten sie die Wirkungsweise von Windkraftwerken kennen.
Exkursionen zur Grünen Woche und zum Lausitzring
Weitere Exkursionen führten ins Wasserstofflabor der Brandenburger Technischen Universität in Cottbus und an den Lausitzring. Die Rennstrecke will sich auf absehbare Zeit komplett über erneuerbare Energien versorgen und hat dazu einen Solarcarport mit Tankstelle, eine Biogasanlage und eine 200 Meter große Windenergieanlage errichtet. Als einen Höhepunkt im abgelaufenen Schuljahr bezeichnen die Schüler ihre Beteiligung an der Grünen Woche in Berlin. Dort betreuten sie den Stand der Bioenergiedörfer, zu denen Feldheim gehört. Stellten Besucher Fragen zu Biogasanlagen, antworteten die Schülerinnen und Schüler.
Zum Abschluss eine wissenschaftliche Arbeit
Nun, in der 12. Klasse, schreiben die Schülerinnen und Schüler des Seminarkurses eine wissenschaftliche Arbeit zu einem selbst gewählten Thema, das sie in der Schule auch präsentieren. Markus will Achtklässler über erneuerbare Energien befragen und die Ergebnisse bei einer Schnitzeljagd erkunden lassen. Julia baut ein Modellauto mit Solarzellenantrieb. Fragt man die beiden, warum sie sich für den Kurs entschieden haben, sagen sie als Erstes: „Weil er neu ist und weil er andere neugierig macht.“ Sie würden sich bei Bewerbungen abheben. „Dass man keine Atomkraftwerke mehr bauen muss, weil man die Energie nutzen kann, die schon vorhanden ist“, haben sie verinnerlicht, aber eher so nebenbei.
Ines Rutschmann