Der Digitalpakt Schule hat dafür gesorgt, dass die Digitalisierung in Deutschland endlich voranschreitet. Allerdings sei er nur als der erste Schritt zu verstehen, erklärt Alexander Lorz, Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), im Interview. Vor allem müsse es darum gehen, die Schülerinnen und Schüler zu einem kompetenten und sicheren Umgang mit digitalen Medien und Technologien zu befähigen und auf die spätere Arbeitswelt vorzubereiten.
1. Was bedeutet für Sie gelungene digitale Bildung?
Bildung – und das schließt die digitale natürlich mit ein – ist immer dann gut, wenn sie die Schülerinnen und Schüler auf ihrem individuellen Kenntnisstand abholt und die Begeisterung für die jeweilige Thematik weckt. Zweifellos bieten digitale Medien hierbei für den Unterricht unzählige Anknüpfungspunkte. Ein zweiter und aus meiner Sicht substantiellerer Aspekt ist aber die Möglichkeit, deutlich genauer und über längere Zeiträume hinweg den Lernstand eines jeden Schülers zu erfassen und individuelle Fördermöglichleiten zu entwickeln. Die überwältigende Zahl der Kinder und Jugendlichen braucht heute auch gar keine Starthilfe im Umgang mit Smartphone und Tablet mehr. In der Schule sollte es deshalb letztlich darum gehen, Schülerinnen und Schüler zu einem kompetenten und sicheren Umgang mit digitalen Medien und Technologien zu befähigen und auf die spätere Arbeitswelt vorzubereiten. Gerade im Bereich des Verbraucherschutzes ist es wichtig, ihnen pragmatische Hilfestellungen zu geben, damit sie eben nicht auf verlockende Angebote von Influencern oder Trickbetrüger im Internet hereinfallen. Hierbei spielen gut ausgebildete Lehrkräfte eine entscheidende Rolle.
2. Sie sind noch bis zum Ende des Jahres Präsident der Kultusministerkonferenz. Haben Sie das Gefühl, dass Sie digitale Bildung während Ihrer Amtszeit voranbringen konnten?
Auch wenn im Kreis meiner Amtskolleginnen und -kollegen durchaus intensiv um die besten Lösungen gerungen wird, waren wir uns bei einer Sache doch von Beginn an einig: Dass an der Digitalisierung unserer Schulen kein Weg vorbeiführt und zügig Maßnahmen angestoßen werden müssen, um sie auf einen zunehmend digital geprägten Unterricht vorzubereiten. Der Weg bis zum Digitalpakt war kein leichter, aber, wie erste Ergebnisse bereits jetzt zeigen, ein lohnenswerter. Von daher kann ich sagen: Ja, wir haben die Digitalisierung unserer Schulen in diesem Jahr ein gutes Stück vorangebracht.
3. Sie haben es gerade erwähnt: Dem Digitalpakt gingen viele Kämpfe und Diskussionen voraus. Sind Sie mit dem Ergebnis denn nun wirklich zufrieden?
Die Diskussionen, die Bund, Länder und Kommunen bis zur Einigung geführt haben, verdeutlichen den Stellenwert, den die Digitalisierung der Schulen gesellschaftspolitisch einnimmt. Deshalb war es richtig, dass wir bei der Grundgesetzänderung nichts überstürzt haben. Den zunächst vom Bund vorgeschlagenen Passus mussten wir ablehnen, denn man konnte ihn in seiner damaligen Ausgestaltung sprichwörtlich nur als Trojanisches Pferd verstehen, das den Anfang vom Ende des Bildungsföderalismus bedeutet hätte. Wir haben deshalb darauf gedrungen, eine Lösung zu finden, der letztlich alle Länder guten Gewissens zustimmen konnten. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, wenngleich wir den Digitalpakt nur als ersten Schritt verstehen können, denn die Technik, die wir den Schulen heute zur Verfügung stellen, ist in fünf Jahren bereits wieder überholt. Ich gehe daher davon aus, dass sich der Digitalpakt über den eigentlichen Zeitraum hinaus verstetigen muss.
4. Sie haben in Hessen auch das Programm „Digitale Schule Hessen“ auf den Weg gebracht. Was beinhaltet es ergänzend zum Digitalpakt?
Das Landesprogramm bündelt verschiedene Maßnahmen und soll unsere Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler fit für die Zukunft des digitalen Lehrens und Lernens machen. Es basiert auf vier Bausteinen: moderner IT-Infrastruktur, gut ausgebildeten Lehrkräften, pädagogischer Unterstützung und der Vermittlung von Medienkompetenz. Erst wenn diese Faktoren ineinandergreifen, bringt die Digitalisierungsoffensive einen echten Mehrwert.
5. Was würden Sie sich für die Zukunft in Bezug auf digitale Bildung wünschen?
Ich wünsche mir, dass Politikerinnen und Politiker nicht über jedes Stöckchen springen, das ihnen medial und von einzelnen Interessengruppen hingehalten wird. Sachlichkeit in der Debatte und pragmatische Lösungen helfen unseren Schulen weitaus mehr als Schnellschüsse und die Jagd nach neuesten digitalen Trends. Ich vertraue darauf, dass unsere Schulen die Chancen der Digitalisierung nutzen, ohne auf Altbewährtes verzichten zu müssen, und gleichzeitig ihre Schülerinnen und Schüler für die Herausforderungen, die die neuen technischen Möglichkeiten mit sich bringen, frühzeitig sensibilisieren. Damit das noch besser klappt, setzen wir künftig in allen Phasen der Lehrerbildung verstärkt auf die Vermittlung von Medienkompetenz. Ich bin mir sicher, dass es für alle Lehrkräfte einen Mehrwert bedeutet, sich intensiv mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung auseinanderzusetzen.