Datum: 12.06.2013

„Verbraucherbildung taugt gut dazu, ein Schulprofil zu schärfen“

Interview mit der Kölner Bildungsexpertin Alexandra Labusch - erster Teil

(c) Wokandapix - pixabay.com CC0 Public Domain

Wenn es um die Verbraucherbildung geht, bleiben die Lehrpläne in Nordrhein-Westfalen eher unbestimmt. Jeder Jugendliche soll die Schule dort zwar als mündiger Konsument verlassen. Die dafür nötigen Kompetenzen erlernen sie aber nicht zwangsläufig. Woran das liegt, wie sich das ändern lässt und welche Rolle schulinterne Koordinatoren dabei spielen könnten, erklärt die Kölner Bildungsexpertin Alexandra Labusch im Interview.

Frau Labusch, Sie sagen, in nordrhein-westfälischen Schulen sollten die Vermittlung von Finanzkompetenzen und die Verbraucherbildung eine größere Rolle spielen. Wieso meinen Sie das?

Weil Jugendliche sich heute viel stärker als früher über ihren Konsum ausdrücken, etwa über ihre Kleidung oder ihre Mobiltelefone. Hinzu kommt, dass sich die Konsumwelt massiv verändert hat, sie unübersichtlicher geworden ist: Durch das Internet können sie rund um die Uhr einkaufen. Da werden nicht nur junge Menschen schnell verleitet, zuzugreifen – obwohl es ihr Budget vielleicht nicht hergibt. Der Kauf auf Kredit ist unter Jugendlichen keine Ausnahme mehr. Bleibt der Umgang mit Geld unreflektiert, kann das im schlimmsten Fall zu Verschuldung mit all ihren Folgen für die Lebensgestaltung führen.
 

Wie kann Verbraucherbildung da helfen?

Zum einem, indem sie dazu anregt, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu reflektieren. Die Werbewirtschaft hat Jugendliche im Visier. Verbraucherbildung kann helfen, deren Absichten und Strategien offenzulegen.

Im Unterricht wird das heute doch schon oft gemacht.

Schon, aber ebenso wichtig ist die Vermittlung von praktischen Kompetenzen: Das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Geld. Die Fähigkeit, Kredit- oder Geldanlageangebote zu durchschauen, Verträge zu entschlüsseln, ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und entsprechend zu handeln. Oder nehmen Sie die zusätzliche private Altersvorsorge. Die wird immer wichtiger. Alle Jugendlichen müssten eigentlich wissen, wie sie gute private Vorsorgeangebote von schlechten unterscheiden können. Können sie aber meistens nicht, weil die Vermittlung solcher alltagspraktischen Kompetenzen viel zu kurz kommt.

Die Lehrpläne in NRW schweigen sich zu diesen Kompetenzen aus?

Das nicht. In NRW bleibt der Lehrplan für das Unterrichtsfach Politik/Wirtschaft/ Sozialwissenschaften, in dem die Vermittlung von Finanz- und Konsumkompetenzen angesiedelt ist, aber ziemlich unbestimmt. Ziel ist der mündige Konsument. Schaut man aber nach den Fertigkeiten, die vermittelt werden sollen, heißt es lediglich, die Schülerinnen und Schüler sollten ihre „Rechte und mögliche Risiken als Verbraucherinnen und Verbraucher kennen“.

Das ist sehr allgemein.

Eben. Diese Anforderungen müssten meines Erachtens konkretisiert werden, zum Beispiel hinsichtlich der Budgetplanung. Die Schülerinnen und Schüler sollten Folgen eigener Finanzentscheidungen für die künftige Liquidität einschätzen lernen können. Wenn man ihnen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, haben sie an diesen Themen auch Interesse.

Wo liegt das Problem?

Die Anforderungen an den Unterricht im Fach Politik/Wirtschaft/ Sozialwissenschaften sind enorm. Da geht es nicht nur um die Perspektive der Verbraucher, also um die Vermittlung von Konsumkompetenzen. Da geht es auch um Berufsorientierung und die wirtschaftspolitische Perspektive. Diese Themen sind zwar alle wichtig. Wenn dafür jedoch in der gesamten Sekundarstufe 1 nur sechs Wochenstunden vorgesehen sind, reicht das hinten und vorne nicht. Zumal viele Schulen ihr Profil eher durch die Berufsorientierung zu schärfen versuchen, was zulasten der Verbraucherbildung gehen kann.

Was schlagen Sie vor?

Der Verbraucherbildung im Lehrplan mehr Aufmerksamkeit und Raum zu widmen. Gut fände ich auch, wenn die Schulleitungen und Lehrkräfte überlegen, wie sie ihr Schulprofil in Richtung Konsumkompetenz schärfen können. In den Klassen 8 und 9 gibt es in NRW einen sogenannten Differenzierungsbereich. Das ist ein dreistündiges Angebot, dessen Zuschnitt die Schulen größtenteils selbst gestalten dürfen. Da könnten sie stärker auf Konsum- und Finanzbildung setzen, ergänzend zur Berufsorientierung. Auch haben mittlerweile die meisten Schulen Koordinatoren zur Berufsorientierung. Koordinatoren zur Vermittlung von Konsumkompetenzen kenne ich nicht.

Einen solchen Koordinator wünschen Sie sich?

Warum nicht? Er bräuchte aber einen Rahmen, in dem er handeln kann – einen Standard für die schulische Verbraucherbildung, den es so in NRW noch nicht gibt. Dieser Koordinator könnte nach fachlichen oder außerfachlichen Möglichkeiten suchen, mit denen sich die Verbraucherbildung verankern lässt. Und er könnte im Kollegium für das Thema werben, für fächerübergreifende Unterrichtsideen etwa. Zulasten der Berufsorientierung muss das nicht gehen.