Datum: 30.06.2022

Verbraucherschutz aus Jugendperspektive

Jugendliche fordern mehr Aufklärung

Jugendliche haben eine Stimme – und die haben sie am 27. Juni genutzt. Drei Kernforderungen haben die Teilnehmer:innen des Jugendverbraucher:innen-wochenendes der Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Frau Dr. Christiane Rohleder, in einer Pressekonferenz übergeben. Und sie haben konkrete Zugeständnisse erreicht.

vzbv

Wenn die Staatssekretärin des BMUV am Ende einer Pressekonferenz erklärt, das Thema Verbraucherbildung verstärkt auf ihre Agenda setzen zu wollen, darf man wohl von gelungener Überzeugungsarbeit sprechen. Genau das ist im Rahmen des Jugendverbraucher:innenwochenendes und der daran anschließenden Pressekonferenz vom 25. bis zum 27. Juni 2022 passiert. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Jugend-Verbraucher-Dialog (JVD), einem Projekt von IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. Aktiv beteiligt waren neben den Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen unter anderem auch das Projekt Verbraucherchecker und Dr. Vera Fricke, Leiterin des Teams Verbraucherbildung im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Aber wie genau haben die Jugendlichen die Zugeständnisse erreicht?

Das Jugendverbraucher:innenwochenende

Der Pressekonferenz voraus ging ein zweitägiges Jugendverbraucher:innenwochenende mit Workshops und Impulsvorträgen. 25 junge Erwachsene wurden eingeladen, bei einer zweieinhalbtägigen Präsenzveranstaltung Forderungen zu formulieren und Ideen zu stiften, wie der jugendgerechte Verbraucherschutz in Zukunft aussehen kann und soll. Begleitet wurden sie dabei unter anderem durch die Social Media Abteilung der Jugendredaktion des JVD, die die gesamte Veranstaltung auf Instagram erlebbar machte.

Am Samstag reisten die jungen Erwachsenen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin – eine Teilnehmerin sogar aus Dänemark. Hier hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, erste Fragen zum Verbraucherschutz an die Staatssekretärin zu richten und Antworten zu erhalten. Daneben erhielten sie von Journalist Rayk Anders Input zu Verbraucherschutz und Influencing. In die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Verbraucherschutz ging es dann am Sonntag.

Die vier Referentinnen vom Jugendverbraucher:innnwochenende sitzen auf Stühlen in einer Reihe vor Jugendlichen auf einer Terrasse..

Quelle: vzbv

Heiße Themen an einem heißen Sonntag

Bevor es an die Formulierung von Forderungen zum Verbraucherschutz ging, musste geklärt werden, welche Bereiche überhaupt dazu gehören. Was haben die Verbraucherzentralen, das Europäische Verbraucherzentrum und der vzbv damit zu tun? Und welche Themen werden in den Workshops aufgegriffen?

Auswählen konnten die Jugendlichen schließlich aus den folgenden vier Themen:

  • Verbraucherschutz durch nachhaltige Produktion: Lieferketten, Siegel, Qualitätsstandards (Referentinnen: Florence Ziesemer und Dörte Adam-Gutsch aus dem Projekt Verbraucherchecker des vzbv)
  • Grenzüberschreitende Mobilität und Verbraucherschutz im digitalen Raum (Referentinnen: Felicitas Wühler und Madeline Schillinger vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ))
  • Verbraucherschutz durch klimafreundliche Ernährung (Referentin: Dominique Lisa Choina aus dem Projekt Mehrwert21 der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen)
  • Die erste eigene Wohnung: Analoge und digitale Herausforderungen. (Referentin: Kathrin Körber von der Verbraucherzentrale Niedersachsen)
Junge Frau lehnt sich über einen Tisch, auf dem ein Flipchart liegt und schreibt

Quelle: vzbv

Eine Frau hält eine Karte in der Hand auf der Begriffe stehen. Sie zeigt sie einer Runde junger Frauen, die vor ihr stehen.

Quelle: vzbv

Mithilfe der Referentinnen sollten die jungen Erwachsenen herausfinden, welche Themen ihnen besonders wichtig sind. Welche Fragen haben sie an politische Entscheidungsträger:innen? Wo endet der Verantwortungsbereich der Verbraucher:innen und wo bedarf es eines Einschreitens der Politik? Am Ende des Workshops sollte jede Gruppe Forderungen zu dem jeweiligen Themenbereich formulieren. Über alle Workshops hinweg schien dabei der Blick auf Nachhaltigkeit in vielen Bereichen wichtig für die Jugendlichen zu sein. Eine große Rolle spielte hier der soziale Aspekt: alle Verbraucher:innen sollten sich nachhaltige Produkte leisten können.

Die heiße Phase

Fragen, Anregungen und Forderungen aus vier Workshops führten zu intensiven Diskussionen unter den engagierten und gut informierten Teilnehmenden – und zu noch mehr Ideen. Gefiltert wurde schließlich anhand eines Punktesystems: Die Themen mit den meisten Punkten sollten die Grundlage für die gemeinsamen Forderungen bilden. Als wichtigste Inhalte für die jungen Erwachsenen stellten sich schließlich Transparenz, Besteuerung von klimaneutraler Ernährung, Anpassung der Rücksendeadresse im Onlinehandel, vollständige Kostenübernahme von Menstruationsprodukten und mehr Verbraucherbildung für alle heraus. Noch am Sonntagabend legten die Teilnehmenden fest, welche Forderungen sie daraus konkret ableiten wollten, um sie der Staatssekretärin im BMUV Dr. Rohleder am nächsten Tag in der Pressekonferenz zu überreichen.

Eine Frau steht vor einem Flipchart. Sie deutet auf das Flipchart und redet. Vor ihr stehen 4 junge Erwachsene, die auf das Flipchart schauen.

Quelle: vzbv

Neben der inhaltlichen Aufbereitung erhielten die Jugendlichen außerdem eine Einführung in die Pressearbeit und einen Überblick über den Ablauf einer Pressekonferenz. Dies übernahm einer, der es wissen muss: Sebastian Krieger, der Moderator der am nächsten Tag folgenden Veranstaltung.

Die Pressekonferenz

Die Pressekonferenz am Montagmorgen war als Podiumsdiskussion live vor Ort und im Livestream zu verfolgen. Neben Moderator Sebastian Krieger und Dr. Rohleder gehörten zu den Podiumsgästen Dr. Vera Fricke vom vzbv, Anna Rudinski von der Jugendredaktion des Jugend-Verbraucher-Dialogs und Jennik Pickert als Vertreter der Teilnehmenden des Jugendverbraucher:innenwochenendes. Die Eröffnungsrede hielt die Staatssekretärin. Sie betonte die Relevanz von Digitalisierung, sozialen Aspekten und Nachhaltigkeit im Verbraucherschutz.

Nach der Vorstellung der Jugendredaktion und des JVD erklärte Dr. Vera Fricke, wie der vzbv den jugendgerechten Verbraucherschutz einschätzt. Sie betonte, wie wichtig Jugendliche als Zielgruppe für Unternehmen sind - daher brauche es mehr Anstrengungen, um Kinder und Jugendliche für Verbraucherthemen zu sensibilisieren. Sie appellierte an die Bundesregierung, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu halten, den gestiegenen Bedarf in der Verbraucherbildung mit Ressourcen zu unterfüttern. Dabei betonte sie, dass dafür eine nachhaltige Finanzierung erforderlich sei und nicht nur zeitlich begrenzte Projekte.

Als wichtigste Themen der Pressekonferenz kristallisierten sich die Forderungen nach mehr Verbraucherbildung sowie Transparenz bei Labeln heraus – die Staatssekretärin erklärte in ihrem Schlussstatement, sich diesen Themen besonders annehmen zu wollen.

Die Jugendlichen waren zufrieden mit den erzielten Ergebnissen und dankbar für den produktiven Austausch.

Die Kernforderungen der Jugendlichen vom Jugendverbraucher:innenwochenende

Präambel: Es braucht Aufklärung, damit Verbraucher*innen ihre Rechte kennen. Nur so können sie sich auch für ihre Rechte einsetzen. Dies muss geschehen durch leicht zugängliche Bildungsangebote für alle. Dabei ist es wichtig, dass auch alle Jugendlichen erreicht werden. Unabhängig von den eigenen Privilegien wie sozialer Herkunft, Geschlecht und Migrationsgeschichte.

1 Wir fordern die Streichung klimaschädlicher Subventionen und wollen Steuerentlastungen für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. Zukunftsträchtiges Wirtschaften soll sich für Produzent*innen und Konsument*innen lohnen. Wir sehen Sie in der Pflicht für eine klimagerechte Lebensmittelbesteuerung einzutreten. Denn eine gesunde und nachhaltige Ernährung/Lebensweise darf nicht am Geldbeutel scheitern. Wir fragen uns, warum so viele nicht nachhaltige Produkte subventioniert sind?

2 Wir fordern mehr Transparenz bei Produktsiegeln. In unserem Alltag begegnet uns eine Fülle von inhaltlichen und uneinheitlichen Labels, die oft lediglich Marketingzwecken dienen, wie z.B. „regional“, „klimaneutral“ oder „recyclebar“. Wir fühlen uns durch diese Kennzeichnungen in die Irre geführt. Wir fordern verlässliche Labels, die unternehmensunabhängig von staatlichen Behörden vergeben werden. Diese sollen gut erkennbar sein!

3 Wir plädieren für die vollständige Kostenübernahme von Menstruationsprodukten für menstruierende Menschen in Form von einer Pauschale oder Steuerrückerstattung. Zusätzlich fordern wir die Einrichtung von öffentlichen Abgabestellen.