Datum: 04.10.2016

„Wir müssen Ernährungsbildung stärker in den Schulalltag integrieren“

Fünf Fragen an… die Ernährungssoziologin Prof. Dr. Jana Rückert-John

(c) CC0 Public Domain

In deutschen Schulkantinen kommt immer noch sehr oft Fleisch auf dem Tisch, entgegen Empfehlungen etwa der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Warum das nicht gut ist und wie sich Kinder für ausgewogenere Mahlzeiten in der Schule gewinnen lassen, weiß die Ernährungssoziologin Prof’in Dr. Jana Rückert-John.

1. Frau Professor Rückert-John, Fleischgerichte dominieren immer noch die Speisepläne in Schulmensen. Wie finden Sie das?

Bedenklich. Ein zu hoher Fleischkonsum begünstigt nicht nur die Entstehung verschiedener Krankheiten. Die Fleischproduktion ist zumeist auch nicht nachhaltig. Sie verursacht einen hohen CO2-Ausstoß, benötigt enorm viel Wasser und große landwirtschaftliche Flächen. Weniger Fleisch täte Mensch und Umwelt gut.

2. Ist das in den Schulkantinen noch nicht angekommen?

Teilweise, es bleibt aber Luft nach oben. Grundsätzlich hat die Schulverpflegung großes Potenzial für die Vermittlung gesünderer Ernährungsweisen und von mehr Nachhaltigkeit. Will sie es stärker als heute ausschöpfen, muss sie mehr Schülerinnen und Schüler für ihr Angebot gewinnen. Durch ein ansprechendes Ambiente in den Mensen etwa, ausreichend lange Pausen oder ansehnlich zubereitete und schmackhafte Gerichte.

3. Und damit wäre es schon getan?

Es wäre ein Anfang. Vor allem müssen wir den Blick von Kindern und Jugendlichen für die gesundheitlichen und ökologischen Vorteile einer ausgewogenen Ernährungsweise schärfen. Zu Hause bekommt das heute nicht mehr jeder mit auf den Weg. Ob sich Kinder und Jugendliche gesund und nachhaltig ernähren, hängt vom Einkommen der Eltern und dem sozialen Milieu ab. Schulverpflegung kann diese Unterschiede bei der Ernährungsbildung und den benötigten Kompetenzen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung etwas ausgleichen – weil sie alle erreicht, unabhängig von der Herkunft.

4. Was schlagen Sie vor?

Wir sollten die Ernährungsbildung stärker in den Schulalltag integrieren: Auch durch gemeinsames Kochen oder die gemeinsame Pflege eines Schulgartens, um selbst gezüchtetes Gemüse dann gemeinsam zu verarbeiten. In Schulen, in denen das passiert und gemeinsam gekocht wird, ist auch die Identifikation mit dem Essensangebot deutlich stärker.

5. Schulküchen gibt es doch kaum noch …

Dass die Lehrküchen in der Vergangenheit aus den Schulen verbannt wurden, war ein Fehler. Denn die gemeinsame Zubereitung von Mahlzeiten hat ein enormes didaktisch-erzieherisches Potenzial. Wir sollten Kinder und Jugendliche nicht nur über Inhalts- und Nährstoffe von Lebensmitteln aufklären. Wir müssen sie Nahrungsmittel auch selbst anbauen, kochen und zubereiten lassen. Ihnen nicht nur Wissen vermitteln, sondern vor allem Kompetenzen. So schärfen wir auch ihr Verständnis dafür, dass sie durch ihre Ernährungsweise Verantwortung für die Gestaltung einer nachhaltigeren Welt übernehmen können.